Samstag, 21. Januar 2017

Wenn Kirchen neue Wege gehen

Gemeinden lassen sich neue Gottesdienste einfallen

Gottesdienste im Wandel der Zeit: Um dem Mitgliederschwund entgegenzuwirken, haben sich die Gemeinden in der Region neue Gottesdienstformen einfallen lassen. 

Neue Formen des Gottesdienstes, um junge Menschen zu erreichen. Foto: dpa
Gottesdienste haben es heutzutage nicht leicht, sich gegen andere Sonntagsaktivitäten durchzusetzen. Frühes Aufstehen, ritualisierte Abläufe – vor allem jungen Menschen können dem wenig abgewinnen. Auch die Kirchen in der Region haben sich mit dem Mitgliederschwund beschäftigt, reagieren darauf jedoch unterschiedlich. Wie soll der Gottesdienst der Zukunft aussehen? Was lassen sich Gemeinden einfallen, um Menschen an die Kirche zu binden?

Go-Special-Gottesdienst

Die katholische Seelsorgeeinheit St.-Georgen-Hexental hat das Experiment bereits gewagt: Mit dem Go-Special-Gottesdienst sollen Menschen angesprochen werden, die bisher wenige Berührungspunkte mit der Kirche hatten. "In unserem Gottesdienst ist man weniger Besucher, sondern viel mehr Teilnehmer", erklärt Christian Beisenherz-Huss vom Organisationsteam. Es gibt keine klassische Predigt. Texte aus dem Evangelium werden lediglich vorgelesen und dann gemeinsam aufbereitet. "Spiritualität wird häufig als Dienstleistung gesehen", sagt Beisenherz-Huss. Traditionelle Gottesdienste seien meist sehr passiv. Doch man braucht keinen Priester, findet der gelernte Chemiker – "jeder, der mitfeiern und sich einbringen möchte, sollte das tun dürfen".
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Aber ab wann wird aus einem netten Beisammensein ein echter Gottesdienst? "Für mich beginnt Gottesdienst da, wo christliche Botschaften ins Leben gerufen werden, egal auf welche Art und Weise", sagt Beisenherz-Huss. Wenn Menschen sich verändern, solle die Kirche sich an ihre Bedürfnisse anpassen. "Dafür braucht man keine ritualisierten Formen."
  • Der nächste Go-Special-Gottesdienst findet am heutigen Samstag, 18 Uhr, in der Katholischen Kirche St. Johannes, Dorfstraße 29, in Au statt.

Abenteuerland

Anders sieht das Sandra Herbster. "Liturgie und Tradition gehören auf jeden Fall zu einem Gottesdienst dazu", findet sie. Auch sie gehört dem Organisationsteam eines eher ungewöhnlichen Gottesdienstes an: dem sogenannten Abenteuerland der Seelsorgeeinheit Batzenberg-Obere Möhlin. Er wird mehrmals pro Jahr in Kirchhofen gefeiert. Das Abenteuerland wendet sich vor allem an Kinder und Familien. "Der liturgische Ablauf ist wie bei jedem anderen Gottesdienst auch", betont Herbster. Trotzdem sei das Abenteuerland interaktiver und lebendiger.

Ein als "Bibelwurm" kostümierter Mitarbeiter liest Kindern altersgerecht eine biblische Geschichte vor. Anschließend verlassen die Kinder die Kirche und behandeln das Thema durch Malen, Basteln oder Theaterspielen weiter. Für die Erwachsenen allerdings geht die Zeremonie ganz normal weiter. Richtig erklären könne man diese allerdings nicht: "Abenteuerland muss man einfach erlebt haben", findet Sandra Herbster.

150 bis 200 Kinder und deren Familien kommen mittlerweile zu jedem Gottesdienst. Um den reibungslosen Ablauf kümmern sich 70 Mitarbeiter. "So ein großer Aufwand wäre nicht jeden Sonntag möglich", räumt sie ein. Trotzdem findet das Abenteuerland großen Anklang in der Gemeinde und darüber hinaus.
  • Der nächste Abenteuerland-Gottesdienst findet am Sonntag, 22. Januar, in Kirchhofen statt. Ab 10 Uhr Anmeldung und Spielstraße im Pfarrhof, für Erwachsene gibt’s Kaffee, um 10.30 Uhr beginnt der Gottesdienst. Danach verkaufen die Ministranten Kuchen, "Forum Eine Welt" bietet fair gehandelte Produkte an.

Gottesdienst am Abend

In der evangelischen Kirchengemeinde Wolfenweiler, Ebringen und Pfaffenweiler kann man von so großem Erfolg nur träumen. "Mein Vorgänger hat versucht, einen Gottesdienst mit wenig Liturgie und vielen Liedern anzubieten", erzählt Pfarrerin Christine Heimburger. "Das kam auch gut an, aber letztendlich saßen wieder nur dieselben in der Kirche." Woran das liegt? Heimburger vermutet, dass der Gottesdienst oft kein fester Bestandteil der Woche mehr sei. "Mir würde etwas fehlen, wenn ich sonntagmorgens nicht zum Gottesdienst könnte", sagt die Pfarrerin. "Aber diese Lücke ist besonders bei jungen Leuten längst gefüllt."

Für dieses Jahr plant sie deshalb eine Neuerung: Einmal im Monat soll der Gottesdienst statt morgens um zehn jetzt abends um 18 Uhr stattfinden. Außerdem wolle sie Berührungspunkte wie Taufen oder Hochzeiten nutzen, um die Besucher mit modernen und alltagsbezogenen Predigten zum Wiederkommen zu animieren. Für die Zukunft hat sie einen weiteren Wunsch: Es soll auch im Umland eine größere Auswahl an verschiedenen Gottesdienstformen geben. "Ich hoffe, dass in dieser Vielfalt wieder mehr Menschen angesprochen werden und so jeder zu dem Gottesdienst gehen kann, der am besten zu ihm passt."
  • Der nächste Abendgottesdienst findet am Sonntag, 5. Februar, 18 Uhr, in Wolfenweiler statt.

Impro-Theater

Fritz Breisacher vertritt eine ähnliche Meinung. "Man muss den Menschen verschiedene Zugänge bieten", sagt der Gemeindepfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Ehrenkirchen-Bollschweil. "Denn die Menschen werden von unterschiedlichen Dingen berührt." Einen dieser Zugänge bietet er neuerdings in seiner Gemeinde an: In einem Improvisationstheater können Interessierte ein eigenes Theaterstück zu einem bestimmten Thema entwickeln.

Es soll eine Performance erarbeitet werden, die aus Licht, Ton, Gerüchen und Emotionen eine ganzheitliche Begegnung schafft. "Die Themen sind immer doppeldeutig und lassen sich auf verschiedene Weisen verstehen", erklärt Breisacher. An seiner Seite hat der Pfarrer die Theaterpädagogin Claudia Pflaum, die es hervorragend beherrsche, die Menschen zu animieren. "Man muss sich überlegen: Auf welche Weise berührt mich das Thema? Und wie kann ich es darstellen, um auch andere zu berühren?"

Er ist gespannt, wie das Experiment von der Gemeinde angenommen wird, gibt sich jedoch zuversichtlich: "Keiner muss sich verpflichten, sondern man kann zu- und absagen wie es gerade passt. Das kommt der Lebensart der Menschen entgegen", sagt Breisacher. Er hofft, mit seiner neuen Art der Andacht einen Raum schaffen zu können, wo sich Gott und Mensch begegnen können. "Denn darauf kommt es an", findet er.
  • Das nächste Impro-Theater findet am Sonntag, 22. Januar, 18 Uhr, im Paul-Gerhardt-Haus Ehrenkirchen statt.

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