Hans Schelkshorn |
Zensur: Bischofskonferenzen üben Druck aus
Die Bischofskonferenzen von Ungarn und Polen haben ein katholisches Webportal veranlasst, regierungs- und kirchenkritische Artikel zu löschen. Die katholisch-theologische Fakultät Wien stellte sich hinter den Autor des Ungarn-Artikels.
Auf Druck ungarischer Bischöfe wurde ein Beitrag von Hans Schelkshorn, der in Wien an der katholisch-theologischen Fakultät Philosophie lehrt, wenige Tage nach Veröffentlichung von der Homepage der Bischofskonferenzen der EU gelöscht. In einem Statement äußerte die Leitung der katholisch-theologischen Fakultät Wien Bedenken gegen diesen Vorgang. „Falls katholische Bischöfe in Europa der Politik der ‚völkischen Ideologie‘ der Neuen Rechten tatsächlich Rückendeckung geben sollten, würden sie dadurch den universalen Charakter der katholischen Kirche verraten. Dies aber wäre nicht hinzunehmen“, so die katholisch-theologische Fakultät.
Kritik an Kirchen-Unterstützung für Orban
Das monatlich erscheinende Magazin der Bischofskonferenzen der EU (COMECE) und des Jesuit European Office (JSC), EuropeInfos, hatte Anfang Februar einen Artikel von Schelkshorn veröffentlicht, in dem dieser unter anderem ungarische Bischöfe kritisierte, die nationalistische Politik von Ungarns rechtspopulistischem Regierungschef Viktor Orbans in Bezug auf die Flüchtlinge weithin kritiklos zu unterstützen. Das Magazin führt den Untertitel „Die EU aus christlicher Perspektive“. „Ihr Auftrag ist es, Informationen über Themen der EU-Politik zu vermitteln, die von unmittelbarem Interesse für die Kirche sind, und diese Themen unter dem Blickwinkel der katholische Soziallehre zu beleuchten“, heißt es auf der Website zu deren Bestimmungen.
Unter dem Titel „Die Ideologie der neuen Rechten in Ungarn“ spricht Schelkshorn die problematische Verquickung von ungarischer Kirche und Politik an. Ohne Angaben von Gründen verlangte die Bischofskonferenz Ungarns die Löschung des Beitrags. Dieser Artikel war die gekürzte Fassung eines im September 2015 in der „Frankfurter Rundschau“ erschienenen Beitrags über die Bedrohung der Demokratie durch Neorechte.
Idee der Menschenrechte ausgehöhlt
Die Regierung Orban folgt nach Schelkshorn der rechtspopulistischen Ideologie, die Menschenrechte durch ein völkisches Prinzip, in diesem Fall die Idee einer „christlichen Nation“, aushöhlt. Statt eine öffentliche Diskussion über das nationale Selbstverständnis rechtsstaatlich zu sichern, würden neorechte Parteien Schelkshorns Artikel zufolge immer vorgeben, zu wissen, was „der“ Wille „des“ Volkes sei. Ohne christliche Skrupel werde daher in Ungarn von politischer Seite offen gesagt: „Wir wollen nicht mit Muslimen zusammenleben“, kritisiert Schelkshorn.
Und genau dieses System werde auch von römisch-katholischen Geistlichen des Landes unterstützt. In Gottesdiensten werde mancherorts zum Beispiel öffentlich zum Gebet für Orban aufgerufen, so Schelkshorn. Teile der reformierten Kirche, der Orban angehört, sympathisierten selbst mit der rechtsextremen Jobbik-Partei. Nur die Lutherische Kirche bleibe auf Distanz zur Politik.
Bereits vorher Beitrag gelöscht
Die Löschung des Beitrags von Schelkshorn war bereits die zweite derartige Intervention einer Bischofskonferenz. Wenige Tage zuvor wurde auf Betreiben der polnischen Bischofskonferenz ein regierungskritischer Beitrag des Vorsitzenden des katholischen Verlags Znak in Polen, Henryk Wozniakowski, ebenfalls von der Website EuropeInfos gelöscht.
Laut Kathpress drückte Wozniakowski in dem Artikel Besorgnis über die polnische Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) aus, die im Oktober vergangenen Jahres an die Macht gekommen war. Er äußerte den Verdacht, die PiS versuche, die Macht zu zentralisieren, sie von Verfassungsgarantien zu lösen und die Kontrolle über alle öffentlich-rechtlichen Medien zu erlangen. Der Vorsitzende der PiS, Jaroslaw Aleksander Kaczynski, scheine ein „treuer Jünger“ des Staatsrechtlers Carl Schmitt (1888 -1985) zu sein, einem „Verfechter des politischen Dezisionismus, der den individuellen Willen der politischen Autorität über das Gesetz stellt“, schrieb Wozniakowski.
Chefredakteur: Dialog abgewürgt
EuroInfos bedauert, dass nun einige dieser Artikel „für beträchtliche Aufregung in bestimmten Kreisen gesorgt“ und Teile der Leserschaft Anstoß an darin geäußerten Ansichten genommen haben. Schließlich stellt es doch in seinen Leitlinien klar: „Durch ihre Artikel vermittelt EuropeInfos eine unabhängige Analyse von Entscheidungen der EU-Institutionen und übt wenn nötig auch Kritik. In gleicher Weise nimmt sich EuropeInfos die Freiheit, Entscheidungen von Mitgliedsstaaten zu kritisieren, die grundlegende Werte Europas in Frage stellen“. Das Portal besteht seit 20 Jahren.
Martin Maier, einer der Chefredakteure, sagte gegenüber der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA dazu: „Wenn Artikel zurückgezogen werden müssen, dann wird Dialog abgewürgt - und das halte ich für problematisch.“
Aufregung um katholisches EU-Magazin "EuropeInfos"
Wien-Brüssel, 24.02.2016 (KAP) Aufregung gibt es um "EuropeInfos", das in Brüssel erscheinende monatliche Online-Magazin der Kommission der katholischen EU-Bischofskonferenzen (ComECE). Auf Druck der beiden nationalen Bischofskonferenzen mussten die Verantwortlichen zuletzt zwei Artikel zur Lage in Polen und in Ungarn wieder von der Website nehmen. Im ersten wurde die Warschauer Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) kritisiert, im zweiten setzte sich der Wiener Philosoph und Theologe Hans Schelkshorn kritisch mit der Ideologie der Regierung von Viktor Orban auseinander. Die Dekanin der Katholisch-Theologischen Fakultät in Wien, Sigrid Müller, spricht im Zusammenhang mit der Löschung des Schelkshorn-Textes nun von Zensur.
Kathpress, 24.2.2016
Neorechte bedroht die Demokratie
Von Hans Schelkshorn
In der aktuellen Flüchtlingsfrage agiert das Regime Viktor Orbans in Ungarn als Speerspitze eines christlichen Autoritarismus. Er hat die Bewahrung des Volkskörpers zur Aufgabe des Staates erhoben - und eint das neorechte Spektrum.
In zahlreichen Staaten Europas bestimmen seit vielen Jahren „rechtspopulistische“ Parteien die Politik gegenüber Asylsuchenden. Nach dem Tod von Jörg Haider und der Absetzung von Silvio Berlusconi ist heute Viktor Orban zur Leitfigur der Neuen Rechten aufgerückt. So diffus und zerstritten das Spektrum neorechter Parteien ist, so stehen sie doch auf einem gemeinsamen ideologischen Fundament.
Im Gegensatz zu den faschistischen Bewegungen des frühen 20. Jahrhunderts verfolgen neorechte Parteien nicht mehr das Ziel einer gewaltsamen Abschaffung, sondern einer inneren „Transformation“ liberaler Demokratie durch eine ethnische Fundierung des Politischen. Darüber hinaus wird die faschistische Unterscheidung von „Herrenrasse“ und „Untermenschen“ durch das Prinzip der friedlichen Koexistenz zwischen unterschiedlichen Ethnien ersetzt. Die Ideologie des sogenannten „Ethnopluralismus“ affirmiert zwar die Idee der Menschenrechte, höhlt jedoch deren universalistische Substanz durch einen völkisch verstandenen Begriff der „Nation“ aus.
In diesem Sinn forderte die FPÖ unter Jörg Haider zwischenzeitlich in ihrem Parteiprogramm, die Menschenrechte um ein „Recht auf Heimat“ zu erweitern, das den „Schutz des Bestandes sowie der kulturellen Identitäten der angestammten (autochthonen) Volksgruppen“ Österreichs garantieren soll. Der Schutz der „Heimat“ ist jedoch kein Menschenrecht, das vom Staat eingeklagt werden kann. Denn der Sinn von „Heimat“ oder „kultureller Identität“ wird in einer liberalen Demokratie in öffentlichen Debatten auf der Grundlage der Meinungs- und Versammlungsfreiheit je neu ausgehandelt.
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Eine unheilige Allianz von katholischer Kirche und FPÖ?
Eine Antwort auf Dompfarrer Toni Faber - Von Hans Schelkshorn
Der Wahlsieg der FPÖ bei den Wiener Gemeinderatswahlen hat auch in christlichen Kreisen, die sich seit vielen Jahren um Integration, eine humane Asylpolitik und sozialen Ausgleich engagieren, einen tiefen Schock ausgelöst. Vor diesem Hintergrund können die jüngsten Äußerungen des Wiener Dompfarrers, in der die Politik und Ideologie der FPÖ in provozierender Weise verharmlost und in naiver Offenheit für eine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ geworben wird, nicht unwidersprochen bleiben. Den Ausländerwahlkampf der FPÖ als „Getöse“ abzutun und Strache als Kämpfer für die christliche Sache zu stilisieren, ist für säkulare Bürger und für demokratisch gesinnte Christen gleichermaßen ein Schlag ins Gesicht.
Weiterlesen in Der Standard vom 15.10.2010 >>