Pro und Kontra:
Hat der Papst mit seiner Kritik an der Wirtschaft recht?
Wetzlar (idea >>) – Papst Franziskus übt in seinem Mitte Juni veröffentlichten Lehrschreiben „Laudato si“ (Gelobt seist du) scharfe Kritik an Umweltzerstörung, Klimawandel und Konsumrausch. Er macht vor allem die Wirtschaft in den Industriestaaten für die globalen Probleme verantwortlich. Ist sie an den Ungerechtigkeiten schuld? Dazu äußern sich zwei Experten in einem Pro und Kontra für die Evangelische Nachrichtenagentur idea (Wetzlar).
Sozialethiker: Gewinnmaximierung wirkt sich verheerend aus
Der Sozialethiker Prof. Franz Segbers, der bis 2014 an der Universität Marburg lehrte, bejaht die Frage. Nach seinen Worten geht es nicht um „die“ Wirtschaft, wohl aber um eine bestimmte Form des Wirtschaftens: „Wenn Gewinnmaximierung zum obersten Ziel wird, dann wirkt sich eine solche Wirtschaft verheerend für Menschen und die Schöpfung aus.“ Einer solchen Wirtschaft schleudere der Papst ein deutliches Nein entgegen. Er tue dies genauso wie die Kirchen im Ökumenischen Rat. Dies sei nicht verwunderlich, denn die Mehrheit der Menschen wie der Christen lebe im globalen Süden. Sie erlebten, wie die Erde zu einer „unermesslichen Mülldeponie“ – so der Papst – geworden sei. Segbers stimmt ihm zu, dass man eine wahre „kulturelle Revolution“ brauche, damit die nötigen Änderungen im Leben, in der Produktion und im Konsum vorgenommen werden, um die Zerstörung der Schöpfung und die Erderwärmung zu bekämpfen. Notwendig sei „eine wirklich universale Solidarität aller im Haus der Schöpfung“, so Segbers.
Volkswirt: Was der Papst übersieht
Kritik an der päpstlichen Argumentation äußert der Volkswirt Hans-Jörg Naumer (Frankfurt am Main), der in leitender Funktion in der Finanzbranche tätig ist: „‚Die Wirtschaft‘ gibt es nicht. Wir sind es, und wir sind alle Sünder.“ Der seelsorgerlich erhobene Zeigefinger „Du sollst“ übersehe, „ob ich überhaupt kann“. „Die Wirtschaft“ seien immer Menschen und sie fehlten, je mehr Macht sie hätten. Es sei deshalb kein Zufall, „dass die sozialistischen Diktaturen zu den schlimmsten Umweltsünden geführt haben“. Wenn ein falsches Wirtschaftssystem zu Armut und Umweltzerstörung führe, helfe ein „Du sollst“ wenig, da der Einzelne kaum anders könne. Wer „Wohlstand für alle“ – so der ehemalige Wirtschaftsminister Ludwig Erhard (1897-1977) – und Umweltschutz wolle, müsse die richtige Wirtschaftsordnung schaffen. Naumer zufolge wussten die Gründer der sozialen Marktwirtschaft – alles Christen – um die Sündhaftigkeit des Menschen. Sie hätten erkannt, dass es um den richtigen Ordnungsrahmen gehe, damit „Sollen und Können“ – so der Wirtschaftsethiker Karl Homann (1943-2008) – kein Widerspruch seien. Naumer: „Mit der richtigen Wirtschaftsordnung lassen sich Ökologie und Ökonomie aussöhnen sowie das Armutsproblem lösen. Das übersieht der Papst.“
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