Dienstag, 25. Februar 2020

Vaterunser wird in Italien zu Ostern geändert


Italien: Bald neue Vaterunser-Bitte
Katholiken in Italien beten das Vaterunser in Gottesdiensten bald anders. Die Neufassung des Gebetes soll nach Ostern eingeführt werden, in der Messe soll sie ab dem nächsten Advent zum Einsatz kommen. Papst Franziskus hatte sich im Dezember 2017 in eine theologische Debatte zum Vaterunser eingeschaltet.
Quelle: VaticanNews, 28.1.2020
Beschlossen hatte Italiens katholische Bischofskonferenz die Änderung bereits auf ihrer Vollversammlung im Herbst 2019; in diesem Jahr wird die Reform nun umgesetzt. Demnach soll die sechste Bitte „Führe uns nicht in Versuchung“ vom Satz „Lass uns nicht in Versuchung geraten“ abgelöst werden.

Das Messbuch mit der neuen Vaterunser-Version soll kurz nach Ostern erscheinen, in der Messen soll es ab 29. November gebetet werden. Dies kündigte der Erzbischof von Chieti-Vasto, Bruno Forte, jetzt an. Im Interview mit Radio Vatikan erläuterte der Theologe die Beweggründe, die die italienischen Bischöfe zu der Änderung bewogen haben.

Bisherige Übersetzung war nicht originalgetreu

„Es geht um Treue gegenüber der Gebetsintention Jesu und gegenüber dem griechischen Original (im Matthäusevangelium, in dem in Kapitel 6, Vers 13 der Ausdruck ,μὴ εἰσενέγκῃς‘, ,führe nicht hinein‘, verwendet wird, Anm.). Das griechische Original benutzt also ein Verb, das ursprünglich ,führe uns‘ bedeutet. Die lateinische Übersetzung ,inducere‘ erinnert an dieses griechische Pendant. Doch im Italienischen bedeutet ,indurre‘ so viel wie ,drängen zu‘, nach dem Motto, etwas gewollt herbeizuführen. Und es hört sich seltsam an, dass man zu Gott sagen können soll, ,dränge uns nicht dazu, der Versuchung zu erliegen‘. Diese Übersetzung scheint dem Original gegenüber nicht treu zu sein.“

Papst Franziskus hatte 2017 in einem Fernsehinterview Zweifel an der Übersetzung „und führe uns nicht in Versuchung“ geäußert. Es sei nicht Gott, der den Menschen in Versuchung stürze, um zu sehen, wie er falle. Dies tue Satan, nicht ein Vater, so der Papst, der sich auf die deutsche Fassung der Vaterunser-Bitte bezog: „Ein Vater tut so etwas nicht; er hilft, sofort wieder aufzustehen.“ Die deutschen Bischöfe sahen nach diesem Einwurf des Papstes keinen Änderungsbedarf und waren bei der bisherigen Version des Vaterunser geblieben. Gleichwohl machten sich weltweit Bischofskonferenzen über die Frage Gedanken, so Erzbischof Forte:

Auch Franzosen haben Vaterunser-Bitte umformuliert

„Zum Beispiel sagt man im Spanischen, der von Katholiken weltweit meistgesprochenen Sprache: ,mach, dass wir nicht in Versuchung fallen‘. Im Französischen ist man nach vielen Geburtswehen von der Übersetzung ,unterwerfe uns nicht der Versuchung‘ (soumettre) zur aktuellen Formel ,lass uns nicht in die Versuchung eintreten‘ (ne pas laisser entrer) gelangt. Die Grundidee, die es auszudrücken gilt, ist also die: unser Gott, der ein guter und liebender Gott ist, macht, dass wir nicht in Versuchung geraten. Mein persönlicher Vorschlag war, dass man sagt: ,mach, dass wir nicht in Versuchung fallen‘. Allerdings war für die offizielle Bibelübersetzung der Bischofskonferenz die Formel ,lass uns nicht in Versuchung geraten‘ (non abbandonarci alla tentazione) gewählt worden, und da haben die Bischöfe am Ende diese Version bevorzugt, damit sich der offizielle Bibeltext und die Liturgie entsprechen.“

Die französischsprachigen Bischöfe hatten, anders als ihre deutschen Kollegen, eine Änderung der sechsten Vaterunser-Bitte bereits im Juni 2017 beschlossen und im Advent desselben Jahres eingeführt. Befürworter der alten Version unterstreichen hingegen, in der Formel ,und führe uns nicht in Versuchung‘ sei eine Situation der Erprobung durch Gott umschrieben – der Betende drücke damit sein Wissen um die eigene Versuchbarkeit aus, argumentierte etwa der Trierer Bischof Stephan Ackermann, der auch Vorsitzender der Liturgiekommission der deutschen Bischofskonferenz ist. Dazu Forte:

„Es geht da also nicht einfach um irgendeine Prüfung des Lebens“

„Eine Sache ist allgemein gesprochen die Prüfung; doch der Begriff, der dazu im Vaterunser-Gebet verwendet wird, ist derselbe, der im Lukas-Evangelium mit Bezug auf die Versuchungen Jesu benutzt wird, die wahre Versuchungen sind. Es geht da also nicht einfach um irgendeine Prüfung des Lebens, sondern um wahre Versuchungen. Etwas oder jemand, der uns dazu drängt, Böses zu tun oder der uns trennen will von der Einheit mit Gott. Deshalb ist der Ausdruck ,Versuchung‘ korrekt, und das entsprechende Verb muss ein Verb sein, das verstehen lässt, dass unser Gott jemand ist, der uns hilft, uns unterstützt, nicht in Versuchung zu fallen. Nicht ein Gott, der uns eine Falle stellt. Das wäre absolut inakzeptabel.“

Dass die Änderung die Gewohnheiten der Gläubigen in Italien stören wird, glaubt Forte nicht. Er sieht „keine größeren Probleme“ voraus:

„Wir müssen den Menschen helfen zu verstehen, dass es um keine Änderung allein der Veränderung willen geht, sondern dass die neue Version Jesu Absichten noch näher kommt und ein umso bewussteres Gebet ermöglicht.“


WDR5 - Diesseits von Eden, 16.2.2020
Ruf nach Reform des Vaterunser
Führe uns nicht in Versuchung - oder - Überlass uns nicht der Versuchung?
WDR5 - Audio - ab 16:10 min


Künftig wird "überlasse uns nicht der Versuchung" gebetet
Zulehner: Geändertes Vaterunser in Italien "gefällt mir"
Die Vaterunser-Bitte "führe uns nicht in Versuchung" lautet in Italien künftig "überlasse uns nicht der Versuchung". Der Theologe Paul Zulehner begrüßt diese Änderung: Sie nehme das Neue Testament ernst. Außerdem verriet er, wie er selbst betet.
Katholisch.de, 1.2.2020


Vaterunser und Versuchung
Führt Gott in Versuchung? In Frankreich hat man eine Bitte des Vaterunsers geändert. Nun ist eine Diskussion darüber entbrannt, ob das Gebet Jesu auch im Deutschen umgeschrieben werden muss.
Christ in der Gegenwart, 13.8.2017


Vaterunser in Frankreich vor drei Monaten geändert
Mit einer Stimme beten
In Frankreich beten Katholiken und Protestanten das Vaterunser seit Anfang Dezember in geänderter Fassung. Drei Pfarrer berichten, wie sie Gläubigen die Umgewöhnung erleichtern – damit das Gebet möglichst wenig ins Stocken gerät.
Domradio, 28.02.2018

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