Der Vorarlberger Benno Elbs ist der erste Bischof, den Franziskus für Österreich ernannt hat. Er sieht eine klare Priorität in der Seelsorge: Barmherzigkeit.
Die Presse: In Österreich sind die Weihnachtstische oft reich gedeckt. Besteht nicht die Gefahr, hinter dem Kern des Festes zu bleiben?
Bischof Benno Elbs: Für mich ist der Kern der Weihnachtsbotschaft, dass Gott Ja zum Menschen sagt – zu jedem Menschen. Dass Gott alle Wege des Menschen mitgeht. Die schönen Wege, aber auch die Kreuzwege. Und dass Gott die Wunden der Menschen berührt und auch die Herzen der Menschen wärmt mit Freude. Das Revolutionäre der Liebe und der Zärtlichkeit Gottes wird zu Weihnachten sichtbar.
Weihnachten ein revolutionäres Fest? So wird das kaum jemand sehen.
Ich möchte keine Kommerzialisierungsschelte. Schenken heißt auch, einen Menschen ernst nehmen, sein Herz und seine Seele berühren.
Sie sind der erste Bischof, den Franziskus für Österreich ernannt hat. Hat das für Sie eine besondere Bedeutung?
Das hat keine besondere Bedeutung. Mich hat es natürlich sehr gefreut, dass mir Papst Franziskus diese Aufgabe zutraut.
Denken Sie, dass sich Franziskus Ihren Personalakt selbst angesehen hat, weil ich nicht annehme, dass er Sie gekannt hat?
Ich habe ihn erst nach der Ernennung persönlich kennengelernt bei der Einführung der ungefähr 120 neuen Bischöfe.
Welchen Eindruck haben Sie gewonnen?
Er hat uns Bischöfen gesagt, dass wir das, was wir reden und verkünden, auch leben sollen. Mit dem bekannten Satz, dass die Hirten den Geruch der Schafe annehmen sollen. Das hat er mit einer hohen Authentizität und Dringlichkeit den Bischöfen ans Herz gelegt.
Haben Sie diesen Geruch der Schafe schon angenommen?
Ich hoffe. Das ist eine ständig herausfordernde Aufgabe. Ohne Begegnung in Augenhöhe, ohne Empathie und Wertschätzung kann man keine Pastoral (Seelsorge; Anm.) betreiben. Obwohl das kein Beichtgespräch ist: Das ist eine lebenslängliche Aufgabe, das ist leicht gesagt, aber sehr schwer getan.
Bedarf es in Österreich einer Akzentverschiebung? Zu den Rändern gehen, wie Franziskus verlangt, erscheint manchmal als Aufgabe an die Caritas abgegeben.
Zu den Rändern gehen heißt nicht, jemanden auszuschließen. Wichtig ist, dass man alle im Auge behält, Familien, Frauen in Not, Politiker, Wirtschaftstreibende...
...gerade der Wirtschaft tritt Franziskus so kritisch gegenüber, dass er sich gegen Marxismus-Vorwürfe wehren musste. Hat er es in seiner Kritik überzogen?
Es geht ihm darum, dass eine ungebremste Marktwirtschaft ein echtes Problem ist. Der Markt ist etwas Sinnvolles, aber er muss geregelt sein, sozial und ökologisch.
Das Problem, dass der Markt ungeregelt ist, stellt sich in Europa eher nicht.
Ja, wobei natürlich europäische Banken in die Finanzspekulationen involviert waren. Aber prinzipiell hat Europa einen relativ hohen Standard. Das Entscheidende ist nach der christlichen Soziallehre, dass der Mensch im Mittelpunkt der Wirtschaft steht. Die Wirtschaft ist für den Menschen da und das Kapital für den Menschen, nicht umgekehrt.
Manche sagen: Mit Franziskus ist die Befreiungstheologie in den Vatikan eingezogen. Sehen Sie das ähnlich?
Was eingezogen ist, ist, dass es Papst Franziskus darum geht, die Barmherzigkeit und die Menschenliebe Gottes zu verkünden.
Stichwort Barmherzigkeit: Jetzt lässt der Papst zur Familiensynode befragen. Welche Änderungen würden Sie sich in der Familienseelsorge wünschen, bei Geschiedenen, die wieder geheiratet haben, oder auch in der Empfängnisregelung.
Ich glaube, dass jede Pastoral diese Überschrift haben soll – also Barmherzigkeit und Verkündigung der Menschenliebe Gottes.
Barmherzigkeit soll also Vorrang haben?
Ja, Barmherzigkeit ist ganz entscheidend. Wie dann die Konfliktsituationen, gerade in den Punkten, die Sie angesprochen haben, geregelt werden können, da habe ich großes Vertrauen, dass dann die Bischöfe, die von den Bischofskonferenzen entsandt werden, die richtigen Antworten finden werden, die den Menschen weiterhelfen.
Rechnen Sie damit, dass die Vorgaben des Verbots sogenannter künstlicher Empfängnisregelung geändert werden?
Das kann ich schwer sagen.
Aber wenn Sie nahe bei den Schafen sind, müssen Sie wissen, dass gerade diese Regelung kaum angenommen wird.
Dazu hätten wir keine Umfrage gebraucht, dass es eine Diskrepanz zwischen dieser Vorgabe gibt und dem, wie die Menschen leben. Es wird Aufgabe sein, dieser Frage weniger mit der Moralbrille zu begegnen, sondern zu sehen, welchen Wert Empfängnisverhütung für die Beziehung von Menschen hat. Als Psychotherapeut, der ich von der Ausbildung her auch bin, ist mir klar, dass das Sprechen über Sexualität und die Aufmerksamkeit füreinander, was ein ganz entscheidender Punkt bei der natürlichen Empfängnisregelung ist, einen hohen Wert für die Beziehung haben können. Es ist aber nicht für jedermann und zu jeder Zeit praktizierbar. Der große Unterschied, der gemacht werden könnte, ist nicht so sehr, zu unterscheiden zwischen dem, was verboten und erlaubt ist, sondern eher: Was dient und fördert Menschsein und Menschlichkeit.
Quelle: DiePresse >>
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