Mittwoch, 11. März 2015

LI: Kirchenbeitrag überholt - Finanzministerium prüft Alternative - Volksbegehren möglich

Medienaussendung der Laieninitiative vom 10. März 2015

Kirchenbeitrag überholt
Finanzministerium prüft Alternative – ein geplantes Volksbegehren

Die kirchliche Reformbewegung Laieninitiative hält das aus der Nazizeit stammende Kirchenbeitragssystem für überholt. Keineswegs geht es ihr darum, den Kirchen benötigte Mittel zu entziehen, sondern ein faires und verträgliches Modell zu finden. Als Beispiel dafür bietet sich Italien an: Jeder kann dort darüber entscheiden, ob ein zu widmender Teil seiner Steuerleistung einer Religionsgemeinschaft oder staatlichen Einrichtungen für andere kulturelle Zwecke zufließt.

Es wäre anzustreben und erscheint durchaus möglich, eine solche Systemumstellung derart vorzunehmen, dass weder der Einzelne – ob Kirchenmitglied oder nicht – einen Nachteil erleidet, noch der Staat oder die Kirchen selbst. „Keine neue Steuer“ gilt auch hier; es geht vielmehr um eine sinnvolle Neuordnung bzw. „Umleitung“ beträchtlicher öffentlicher Geldflüsse!

Die Vorteile liegen auf der Hand: An die Stelle einer Beitragspflicht tritt für alle Bürger die Möglichkeit einer Widmung entweder an den Staat für definierte Kulturzwecke oder für eine anerkannte Religionsgemeinschaft. Gleichzeitig könnte damit ein weiteres wichtiges Problem endlich beseitigt werden. Der Republik obliegt nach dem heutigen System die Eintreibung von ausständigen Kirchenbeiträgen. Dagegen bestehen erhebliche rechtsstaatliche Bedenken, insbesondere hinsichtlich der garantierten Religionsfreiheit.

Schelling veranlasst Prüfung

Die Laieninitiative hat diesen Vorschlag Finanzminister Schelling unterbreitet, der die vorgebrachten Argumente „intensiv prüfen“ lässt und sie als „möglichen Impulsgeber für die laufenden Fachgespräche“ ansieht.

Tatsächlich erschiene es zweckmäßig, in die geplante Steuerreform auch ein solches Vorhaben einzubeziehen. Es stünde als „kostenneutral“ mit dem vorrangigen Entlastungsziel nur in einem indirekten Zusammenhang, hätte aber andere positive Auswirkungen. Dabei wird nicht übersehen, dass eine Abstimmung mit den Religionsgemeinschaften gesucht werden müsste, bei der Katholischen Kirche betreffend eine Ergänzung zum Vermögensvertrag mit den Hl. Stuhl 1960. Da die Steuerreform erst im kommenden Jahr wirksam werden soll, bestünde dafür aber ausrei-chend Gelegenheit.

Kohlmaier: Vorteile für die Kirche / Religionsgemeinschaften

Der Vorsitzende der Laieninitiative und ehemalige Volksanwalt Herbert Kohlmaier ist davon überzeugt, dass das angestrebte Modell zumindest auf lange Sicht für die Kirchen Vorteile brächte, aber ebenso für die heute immer bedeutender werdenden anderen Glaubensgemeinschaften. Staat und Kirchen müssten dem Umstand Rechnung tragen, dass sich die religiöse Landschaft seit Beginn der Zweiten Republik stark verändert habe und vielfältiger geworden sei.

Die Bereitschaft zur Bindung an eine bestimmte Religion sei zwar geringer geworden, aber die Menschen würden sehr wohl den Wert von kirchlichen Einrichtungen etwa karitativer, pflegender und erzieherischer Art anerkennen. Nach Kohlmaiers Auffassung werde der einklagbare und mittels Exekution eintreibbare Kirchenbeitrag oft als Ärgernis empfunden und zum Grund des Austritts, insbesondere bei jungen Menschen in der schwierigen Phase am Beginn ihrer Berufslaufbahn. „Außerdem wäre für jene, die sich religiös nicht zugehörig fühlen, die Möglichkeit, kulturelle und wissenschaftlicher Einrichtungen zu bedenken, sicher attraktiv“.

Volksbegehren „in Reserve“

Die Laieninitiative beabsichtigt für den Fall, dass die Regierungsparteien einer Neuordnung der Finanzierung von Glaubensgemeinschaften nicht näher treten wollen, ein Volksbegehren zu initiieren. Sie ist davon überzeugt, dass dieses eine große Unterstützung fände, die nicht ignoriert werden könnte.

Nach Auffassung der Reformbewegung darf sich die Regierung nicht immer nur auf das Betonen eines „guten Verhältnisses“ zu den Religionen und insbesondere den Kirchen beschränken. Sie ist auch gefordert, ihren Beitrag zu geordnete Beziehungen zwischen diesen und dem Staat und zu deren breiten Akzeptanz leisten.

Qualifizierte wissenschaftliche Begleitung

Der Grazer Universitätsprofessor Dr. Rudolf K. Höfer engagiert sich bereits seit Längerem auf diesem Gebiet, er ist Herausgeber des Bandes „Kirchenfinanzierung in Europa – Modelle und Trends“ (Tyrolia 2014). Er unterstützt die Bestrebungen der Laieninitiative und wirkte schon maßgeblich an der Studientagung aller Reformbewegungen mit, die im November 21012 unter dem Thema „Wer zahlt, muss mitbestimmen können - Kirchliche Finanzhoheit im Rechtsstaat“ stattfand (vgl. http://www.laieninitiative.at/media/documents/zahlen_mitbestimmen.pdf ).
Er erklärt zu den aktuellen Bestrebungen:

„Die Umstellung der Finanzierung der Religionsgemeinschaften brächte ein dreifaches Win-Win-Ergebnis für den Staat, die Bürger und die Religionsgemeinschaften.
Der Staat hätte durch mögliche Strukturreformen keine Mehrkosten, sondern nach dem Wegfall des absetzbaren Kirchenbeitrages stünden ihm zusätzlich verfügbare Mittel zur Verfügung, ebenso den Bürgern, was zu einem erhöhten Steuereinnahmen führen würde. Gleichzeitig würde diesen eine demokratische Mitwirkung bei der Steuerwidmung eingeräumt.
Die anerkannten Religionsgemeinschaften wären im Blick auf die mögliche Finanzierung prinzipiell gleich gestellt. Die Akzeptanz der Religionsgemeinschaften würde enorm zunehmen. Der Zusammenhalt und das Engagement für die Gesellschaft würden einen positiven Impuls bekommen. Heute ist ein Zusammenwirken aller gesellschaftlichen Kräfte und Religionsgemeinschaften ein Gebot der Stunde und bereits vielfach stark im Bewusstsein verankert.“
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Kontakt: Dr. Herbert Kohlmaier, Tel. (+43 1) 888 31 46, kohli@aon.at
Em. Univ. Prof. Dr. Heribert Franz Köck, Tel. (+43 1) 470 63 04, heribert.koeck@gmx.at
Univ. Prof. Dr. Rudolf K. Höfer, (+43 1) 316 380 31 98, rudolf.hoefer@uni-graz.at



Kirchensteuer und freie Entscheidung
Statt einer Zwangssteuer aus der NS-Zeit wäre freie Steuerwidmung gefragt
Kommentar von Rudolf Höfer im Standard vom 25. Jänner 2015 >>

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