Der neu ernannte Grazer Bischof, Wilhelm Krautwaschl, wenige Tage nach seiner Ernennung im Interview: Er tritt für eine Kirche ein, in der kein Oben oder Unten, kein Links oder Rechts gilt. Und: »Wir haben nach wie vor vielen vieles zu geben.«
Ihre Ernennung zum Grazer Bischof erntet großen Applaus. Wie erleben Sie die Begeisterung angesichts dessen, dass Hosanna und Crucifige oft recht nah beieinanderliegen?
Wilhelm Krautwaschl: Es lässt mich sehr demütig werden, dass ich Hoffnungen wecke, die ich möglicherweise nicht erfüllen kann, dass mir Missgeschicke passieren werden. Das Crucifige wird kommen. Aber ich hoffe, dass, wenn man miteinander unterwegs ist, man im anderen ein Stückchen weit denken kann. Dann wird es leichter.
Müsste es nicht Normalfall sein, dass ein neuer Bischof eben nicht polarisiert? Schwingt da nicht Personenkult mit?
Die große Gefahr ist da. Ich bin sehr, sehr zurückhaltend und muss mir immer wieder sagen: Es gilt nicht dir, sondern durch mich geht es woanders hin.
Auch bei der Wahl von Franziskus gab es Begeisterung. Nur hat sich diese in Österreich nicht in nüchternen Zahlen niedergeschlagen, beispielsweise was Kirchenaustritte betrifft. Ist das nur ein Strohfeuer?
Das sehe ich nicht so. Die Beziehung zur Kirche ist vielfach loser geworden, und da gibt es jetzt einen, der Kirche wieder sympathischer macht. Das heißt nicht, dass überlegt wird, wieder einzutreten. Ich möchte mir keine Illusionen machen: Die Zustände, die wir rund um das Konzil gehabt haben, wird es wahrscheinlich nicht mehr geben.
Wann wird eine Talsohle erreicht sein?
Ich kann umgekehrt sagen: Wenn angesichts des Angebots noch immer so viele freiwillig sonntags die Messe besuchen – dann ist das ein Wunder. Das war früher anders. Da habe ich müssen, oder da gab es gar kein anderes Angebot am Sonntagvormittag. Wenn ich so an die Situation herangehe, habe ich wieder eine Perspektive. Es geht nicht nur den Bach hinunter. Wir haben nach wie vor vielen vieles zu geben.
Was verbindet Sie mit dem Papst?
Ein Bursche von uns im Seminar hat gemeint, als er ihn zum ersten Mal gesehen hat: „Der ist geil!“ Da ist etwas übergesprungen durch die Art und Weise, wie er aufgetreten ist. Ich habe fast den Atem anhalten müssen.
An Änderungen in der Kirche Österreichs ist seit Franziskus nicht viel zu bemerken.
Innerkirchlich wird die Frage, wieso wir uns engagieren, wieder leuchtender beantwortet.
Papst Franziskus weckt viele Hoffnungen, auch für die Familiensynode, die im Herbst tagen wird. Welche Hoffnungen hegen Sie im Zusammenhang mit dem viel diskutierten Kommunionverbot für Geschiedene, die zivilrechtlich wieder geheiratet haben?
Ich finde es interessant, dass er diese unterschiedlichen Meinungen zulässt. Das ist ein neuer Stil von Kirche. Das ist toll, das ist Kirche! Dass nicht gesagt wird: „Ich habe recht, und du hast unrecht.“ Das sind wir nicht gewohnt. Wir glauben, verkürzt gesagt: Lehramt – und damit hat es sich. Das ist ein Stil, den wir lernen müssen, Gott sei Dank.
Aber die Kirche ist kein Diskutierklub. Am Ende wird eine Entscheidung stehen müssen. Welche?
Natürlich, das aber kann ich nicht sagen.
Aber Sie haben jahrzehntelange Erfahrung in der Seelsorge. Haben Sie jemals wiederverheirateten Geschiedenen die Kommunion verweigert?
Ich darf laut Kirchenrecht, wenn jemand zu mir zur Kommunion nach vorne tritt, niemandem etwas verweigern.
Franziskus spricht oft von Barmherzigkeit, ihr bischöflicher Wahlspruch lautet „Gott ist Liebe“. Wie könnte ein barmherziger, ein liebevoller Umgang mit dieser Personengruppe aussehen?
Schlicht und ergreifend zum Leben innerhalb der Kirche mit einzuladen. Das ist ein irrsinnig breites Spektrum, es geht nicht nur um den Kommunionempfang. Egal wie eine Regelung aussieht: Wir dürfen uns vom Menschen und den tatsächlichen Fragen nicht verabschieden, und die sind unter Umständen ganz andere als die, wie sie sich in einer rechtlichen Ordnung niederschlagen.
Sollte die Türe für diese Personengruppe weiter aufgemacht werden?
Es gibt kreative Lösungen, aber da möchte ich dem Heiligen Geist nicht vorgreifen.
Am Tag vor Ihrer Ernennung zum Bischof hat Franziskus mehr Gewicht für Frauen in Gesellschaft und Kirche gefordert. Da hat die Kirche Nachholbedarf, oder?
Da bin ich ganz beim Papst. Ich weiß nicht, wie viele Religionslehrerinnen wir haben, ich denke an die Pastoralassistentinnen, Kindergärtnerinnen, Lektorinnen, Kommunionspenderinnen. Sie machen den Dienst der Verkündigung im Auftrag der Kirche. Das ist nicht nichts, das ist unendlich wertvoll. Der Krampf ist, dass wir immer das Weiheamt als einzige Entscheidungskompetenz sehen.
Könnten Sie sich Diakoninnen vorstellen?
Da ist ein Prozess notwendig, dem nachzuspüren, wie das auch in der Urkirche war. Derzeit ist die Einheit des Amts sehr im Vordergrund (das Weihesakrament ist dreistufig: Diakon – Priester – Bischof; Anm.), da geht das nicht.
Wie sehr gehen Ihnen Fragen nach den sogenannten innerkirchlichen heißen Eisen eigentlich auf die Nerven?
Sie sind ernst zu nehmen, kommen immer wieder. Ohne das abzuwerten, aber ich möchte die grundlegenden Fragen des Ganzen anschauen dürfen. Da habe ich eher das Gefühl, dass viele Gott nicht mehr wahrnehmen, dass sie mit Gott nichts anfangen können. Das irritiert mich weit mehr.
Da könnte die Kirche Mitschuld daran tragen.
Dazu will ich gar nicht Nein sagen. Wir sind in der Sprache oft sprachlos geworden. Wir müssen sensibler werden gegenüber den Suchenden, jenen, die am Rande stehen: Was ist für diese wirklich wichtig und richtig?
Wann wären Sie als Bischof gescheitert?
Ich möchte es positiv formulieren: Das Wichtigste wäre für mich, wenn in der Kirche das Miteinander im Namen Jesu Christi wieder mehr erfahrbar würde und nicht als Oben und Unten, als Links und Rechts. Wenn das gelingt, würde ich mir alle zehn Finger abschlecken. Ehrlich müssen wir sein, dann passt es.
Quelle: DiePresse.com
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