Manchmal muss man sich eine Sache einfach andersherum vorstellen. Was wäre, wenn die Päpstin einer Kirche, die zentrale Ämter Frauen vorbehalten hat, erklären würde, man schätze den "unentbehrlichen" Beitrag der Männer in der Kirche, die Theologinnen müssten aber erst noch intensiver nachdenken, wo das spezifisch männliche Charisma sich am besten entfalten könnte.
Eine solche Rede wäre undenkbar. Frauen, die sich die Deutungshoheit über Wesen und Aufgaben von Männern anmaßen, das geht gar nicht – und das ist gut so. Aber Frauen sollen noch immer geduldig den Kopf senken, wenn die Herren der Kirche ihnen die Plätze zuweisen?
Über eine "Theologie der Frau" sei – von den Männern – noch intensiver zu beraten, heißt es aus dem Vatikan. Werden die Frauen selbst auch gefragt? Papst Franziskus ist mutig. Spannend, wie er die Reformen in der katholischen Kirche angeht. Aber meines Erachtens irrt er, wenn er meint, ohne eine grundlegende Gleichstellung von Männern und Frauen in allen Bereichen tiefgreifende Reformen zu schaffen. Viele strukturelle Probleme der derzeitigen Kirche – auch jener "ausufernde Klerikalismus", den der Papst konstatiert –, hängen mit der Separation der Geschlechter zusammen. Das Argument, Jesus selbst habe nur Männer als Priester gewollt, hält einer kritischen theologischen Auseinandersetzung nicht stand, setzt aber auch alle christlichen Kirchen, die das anders sehen, ins Unrecht.
Wie auch immer begründete Vorrechte von Männern überschatten als vormodernes Relikt und fundamentales Ärgernis alle Reformen. Nicht nur innerhalb der Kirche, sondern auch gesellschaftlich. Als globale Organisation ist die katholische Kirche weltweit verantwortlich. Wenn sie unsere Wirtschaftsweise als "mörderisch" anprangert, darf sie zu Frauenrechten nicht schweigen. Glaubwürdig ist sie aber nur, wenn sie selbst ein gutes Beispiel gibt.
In vielen Teilen der Welt werden Frauen noch immer als Menschen zweiter Klasse behandelt. Eine katholische Kirche, die das auch so hält, selbst wenn sie meint, Frauen als die "ganz Anderen" zu ehren, macht sich schuldig. Ohne bösen Willen, hoffe ich. Aber offenbar aus einem grundlegenden Missverständnis. Männer, die wie ein guter Vater alles für die anderen regeln, sind ehrenwert, aber nicht auf der Höhe der Zeit. Jeder Mensch hat heute das Recht, für sich selbst zu sprechen.
Das zu verstehen, muss Basis für alle römisch-katholischen Reformen sein. Das Signal an die ganze Welt wäre ungeheuer groß und würde einen enormen Sprung für die tatsächlich gelebte gleiche Würde von Frauen und Männern bedeuten. Dieser Mut ist dem charismatischen Papst noch zu wünschen.
Dr. Christine Haiden ist Chefredakteurin der "Welt der Frau". christine.haiden@welt-der-frau.at
Quelle: nachrichten.at
Zum Thema ein Kommentar von Dr. Herbret Kohlmaier:
Ein anderer Papst - eine andere Kirche?
Zum päpstlichen Rundschreiben „Evangelii Gaudium“
Das vom Papst ausgesandte Schreiben, das sich an alle in der Kirche wendet, ist ein kirchenhistorisches Dokument ersten Ranges. Es soll an sich darlegen, wie Franziskus die Verkündigung des Evangeliums in der heutigen Zeit voranbringen will. Doch tatsächlich wird uns gesagt, wie Jorge Mario Bergoglio SJ die römisch-katholische Kirche versteht. Offenbar hat er erkannt, dass sie die Frohbotschaft nicht verkünden kann, wenn sie sich wie bisher selbst behindert und unattraktiv ist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen