Kommentar von Rainer Bucher (katholischer Pastoraltheologe an der Universität Graz) in der FURCHE vom25. Juli 2013, Seite 13:
"In meiner kleinen, unregelmäßigen Reihe 'Kritik des reaktionären Katholizismus' heute: der Klerikalismus. Er ist etwas sehr Altes - aber leider hier und da wieder aktuell. Der Klerikalismus startete als Herrschaft von Priestern über die Gesellschaft, was im christlichen Bereich seit dem frühen Mittelalter immer mal wieder versucht wurde, aber auf Dauer nie so ganz gelang.
Als priesterliche Herrschaft über die Kirche hatte er schon mehr Erfolg, wenn auch die Einflussrechte der Laien über lange Jahrhunderte sehr viel größer waren als heute. Doch mit dem Absolutismus der frühen Neuzeit wurde die innerkirchliche Priesterschaft nach und nach Wirklichkeit und in theologische, institutionelle und spirituelle Muster gegossen.
In Zeiten religiöser Selbstbestimmung aber ist es damit vorbei, schlicht, weil die katholische Kirche die Macht über ihre eigenen Mitglieder verloren hat. Was ist dann heute Klerikalismus? Eine erkennbar fatale Identitätsstrategie von Priestern, die mit genau dieser Situation der religiösen Freiheit nicht zurecht kommen.
Irgendwann in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde diese Form des Klerikalismus hoffähig. Damals begann man wieder, 'priesterliche Identität' durch Abwertung von Laien sichern zu wollen: In Liturgie und Kirchenrecht, in Habitus und Haltung. Keinem der Priester, die mich prägten und denen ich bis heute dankbar bin, wäre das eingefallen.
Denn sie wussten: Wer sich so retten will, ist schon verloren. Und er ist weit weg von dem, wofür es Priester gibt: verlössliche, erkennbare, unverlierbare Zeichen und Werkzeuge der Gnade Gottes zu sein, in Wort und Tat, Sakrament und Gebet, für andere, für viele, potenziell all. - Man muss sich gegen den Klerikalismus wehren, wo man ihn trifft. Das ist man sich selber schuldig - und den Priestern."
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