Mittwoch, 18. November 2015

50. Jahrestag des Dekrets über das Wirken von Laien in der Kirche

Die Laieninitiative, 18. November 2015

Laien in der Kirche – nach fünfzig Jahren wurde alles anders!

Am 18. November 1965 wurde vom II. Vatikanum das Dekret APOSTOLICAM ACTUOSITATEM über das Laienapostolat veröffentlicht. Die Rolle der Kirchenmitglieder, die nicht dem geistlichen Stand angehören, wurde neu beschrieben. Sie sollten Mitwirkende und Mitverantwortliche am Sendungsauftrag der Kirche sein. Was weiterhin blieb, waren Unterordnung, Gehorsamspflicht und das Angewiesensein auf die den Geweihten vorbehaltenen Befugnisse.

Das „Volk Gottes“ ist also zur „Mitwirkung“ am Apostolat berufen, aber nicht dort, wo die Kir-che Entscheidungen trifft (Ausnahme ist die bescheidene Mitsprache in den Pfarrgemeinderäten). Von welcher Gesinnung das nach dem Konzil erlassene Kirchenrecht geleitet ist, wird etwa darin sichtbar, dass man annahm, den Gläubigen die Erlaubnis geben zu müssen, Meinungen und Wünsche zu äußern (Can. 212) oder tiefere Kenntnisse der Theologie zu erwerben (Can. 229)!

Die entscheidende Ungleichheit zwischen Priestern und Laien besteht aber darin, dass nur Pries-ter „in persona Christi“ handeln können; auch nicht Diakone, was Benedikt XVI. ausdrücklich betonte. Es handelt sich dabei um eine spezifisch katholische Glaubenskonstruktion als Merkmal der Kirche. Sie ist historisch entstanden und findet in den Evangelien keinerlei Stütze.

Korrekturen, welche die Zeit bewirkt

Die nach dem Konzil bis zum Amtsantritt von Papst Franziskus verstrichenen Jahre haben keinen Fortschritt betreffend die den Laien zugewiesene Rolle gebracht – eher wirkten auch in dieser Frage restaurative Tendenzen des Vatikans. Aber in genau dieser Zeit ist sichtbar geworden, dass eine Kirche zweier voneinander strikt getrennter Stände in unserer Zeit und heutigen Gesellschaft zur bloßen Theorie wird. Die Entwicklung hat sich von der kirchlichen Autorität gelöst und neue Fakten geschaffen, welche die heutige Realität bestimmen:

• Die Lehre der Kirche ist im „Gottesvolk“ kaum mehr und allenfalls nur bruchstückhaft bekannt. Soweit dies der Fall ist, wird keine Verbindlichkeit empfunden, sondern jeder glaubt, was ihm plausibel erscheint.
• Das Gleiche gilt für die Vorschriften, welche die Kirche erlassen hat; sie haben praktisch keine Wirksamkeit mehr.
• Der traditionelle Priesterstand schrumpft auf eine immer kleinere Zahl überalteter Männer. Der dürftige Nachwuchs für einen unattraktiv gewordenen Beruf rekrutiert sich oft aus Kreisen, die noch dem überholten Bild des hierarchischen Kultpriesters verhaftet und für die Seelsorge in einer Gemeinde mündiger Christen untauglich sind. Eine einigermaßen flächendeckende und von Person zu Person wirkende Seelsorge für die Glaubensangehörigen ist nur mehr eine Illusion.
• Wo es wirklich noch lebendige Gemeinden gibt, hängt dies weitgehend vom Engagement der Laien ab, wobei die Frauen eine besonders wichtige Rolle spielen.

Die Zukunft der Kirche liegt in der Hand der Laien

Was die Kirchenleitung tut, ist also in Wahrheit bedeutungslos geworden, soweit es um Regeln, Gebote und Vorschriften geht. Wichtig hingegen ist alles, was Gesinnung, Gewissen und Glaube im wohlverstandenen Sinn betrifft. Franziskus hat das erkannt. Es bedeutet aber auch, dass die Chancen der Kirche in einer neuen Gemeinsamkeit liegen, die an der Basis wirken muss, aber nicht von einer Zentrale und deren Bevollmächtigten hergestellt werden kann.

Die Entwicklung zu einer Kirche ohne künstlich geschaffene Standesunterschiede ist nicht auf- zuhalten. Es kommt nicht mehr darauf an, dass jemand vorgibt, „in persona Christi“ zu handeln, sondern nur auf die Bereitschaft, im Geiste Christi zu wirken. Nur wenn das sehr viele „Laien“ in ihrer Verantwortung tun werden, kann es auch in Zukunft noch eine Kirche geben.

Das Dekret über das Apostolat der Laien hätte ein Meilenstein in der Kirchengeschichte werden können, wenn man das, was noch zögerlich angedacht war, mutig weiterentwickelt hätte. So aber ist das wenige Brauchbare beim „Rückbau“ nach dem Konzil durch Johannes Paul II. und Benedikt XVI. verschüttet worden. Sollte es jetzt im Zuge der Entrümpelung der Kirche wieder her- vorgeholt werden, genügt kein oberflächliches Entstauben. Vielmehr müsste das Verhältnis von Priestern und Laien geradezu vom Kopf auf die Füße gestellt und anerkannt werden, dass im Verhältnis zu Gott und unseren Herrn Jesus der Unterschied zwischen Priestern und Laien marginal ist und nicht ins Gewicht fällt.

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