Das verlassene Imperium
Über den Ausstieg Roms aus der KirchengeschichteDer Titel, ich gebe es zu, ist gestohlen. So nannte Werner Raith, der unermüdliche Altphilologe und Journalist, 1982 eines seiner zahlreichen Bücher und gab ihm den Untertitel: „Über das Aussteigen des römischen Volkes aus der Geschichte“.
Rom, ehemals Zentrum eines Weltreichs, hat seine politische Weltgeltung längst verloren. Nur der Papst versteht sich noch als Kaiser einer weltweiten Institution, die von Rom aus regiert wird. Kein Monat vergeht, und wir werden mit neuen Weisungen überrascht. Bischöfe werden reglementiert und abgesetzt, Frauen in die Schranken gewiesen, alte Riten neu eingeschärft, vatikanische Gerichte entscheiden über Ehen und Exkommunikationen.
Anmaßung der Befehlsgewalt
So ist schon einmal Rom aus der Geschichte ausgestiegen. Nicht der viel beschworene Sittenverfall war die Ursache. (Wäre es so gewesen, hätten schon die Renaissance-Päpste mit ihren Konkubinen das Ende der römischen Kirche bedeutet.) Vielmehr erwies sich das römische Imperium zunehmend als unregierbar. Immer strengere Gesetze und die Anmaßung zentraler Befehlsgewalt vertrieben die interessierten Schichten aus der Mitverantwortung. Ein unpolitisches Biedermeier war den damaligen römischen Aristokraten lieber, sie meldeten sich ab und überließen die Staatsgeschäfte willfährigen Abgesandten der Zentrale. So auch im heutigen römisch-katholischen Imperium. Volksbeteiligung, auch des Volkes Gottes, ist unerwünscht, Bischof wird nur, wer sich als Statthalter Roms versteht. In den Priesterseminaren wächst eine Generation heran, die von der Bedeutung des ehelosen Amtes und seinem Vorrang vor dem Volk der Laien zutiefst überzeugt ist.
Das Ergebnis dieser Entwicklung ist absehbar. Den Reformbewegungen ist die Lust auf Revolutionen vergangen, neue Dekrete aus Rom werden achselzuckend ignoriert. Längst wissen die Bischöfe, dass sie nicht mehr Herren der Lage sind, dass Priester nicht im Zölibat, Gemeinden nicht nach amtlicher Vorschrift leben, dass ihre Liturgie römische Vorschriften missachtet und das Abendmahl mit Christen anderer Konfessionen geteilt wird. Das bedeutet, dass die gesamte Amtskirche ohne Boden unter den Füßen arbeitet, dass sich ein abgehobenes System um seine Selbsterhaltung kümmert, während die Christen und Christinnen, denen der Glaube noch etwas bedeutet, sich anderswo Orientierung suchen.
Eine Kirche, die es nicht mehr gibt.
Noch eine Parallele gibt zu denken. Ein schönes Beispiel liefert Constantius II. (317-361). Er war als Kaiser nicht in Rom angetreten, weil er den politischen Schwerpunkt des Reiches schon nach Konstantinopel verlegt hatte. Aber in die alte Hauptstadt reiste er, um gefeiert zu werden, weil sich die Römer auf die Gestaltung prachtvoller Triumphzüge verstanden. Wo die Macht abnimmt, wird zunächst gefeiert. Heute folgen diesem Rezept die triumphalen Papstreisen, zuletzt nach England, Spanien und Kroatien, demnächst nach Deutschland: Auftritte vor jubelnden Massen, die über die schwindende Bedeutung des römischen Führungsanspruchs hinwegtäuschen, und ohne Kontakt mit den realen Problemen der Menschen.
Rom als Zentrale der Christenheit hat vor 1000 Jahren den Osten, vor 500 Jahren den Norden verloren, aber aus diesen Fehlleistungen nichts gelernt. Heute verliert das Imperium seine prägende Macht nicht mehr durch dramatische Abspaltungen, sondern durch eine lautlose Auswanderung. In den Ländern, wo dies möglich ist, treten die Menschen aus der Kirche aus, in anderen Ländern leben sie, als wären sie ausgetreten, nach ihren eigenen Regeln und Ansichten. Das Imperium wird verlassen und der hierarchische Einfluss verkommt zur Illusion.
Sagte ein österreichischer Bischof zum Abt eines österreichischen Stiftes (die Namen sind der Redaktion bekannt): „Rom regiert eine Kirche, die es gar nicht mehr gibt.“
in: Quart 2/2011
6 Kommentare:
In einem Punkt widerspreche ich Pawlowsky: Ich würde es nicht ausschließen, dass es doch noch zu einem weiteren Schisma kommt, und zwar zu einem, das alle bisherigen in einer Hinsicht in den Schatten stellen würde, nämlich die Spaltung zwischen einer römisch-katholischen und einer konzils-katholischen Kirche.
Wir haben seit einigen Jahrzehnten in unserer Kirche die in der bisherigen Kirchengeschichte einzigartige Situation, dass zwei Päpste ein Konzil einberiefen und arbeiten ließen, und dass deren zwei (einen nur 33 Tage lang regierenden mal unerwähnt) Nachfolger dieses Konzil demontierten. Und es gibt weltweit nicht wenige Kirchenmitglieder, die das nicht wollen, sondern eine Umsetzung dieses Konzils in dessen Geist.
Daher würde ich ein nochmaliges Schisma, aber wahrscheinlich das letzte große in der römischen Kirchengeschichte, noch nicht ausschließen, vielleicht auch mit einem neuen Gegenpapst (oder Gegenpäpstin). Irgendwann kann man an den Punkt kommen, wo es einem reicht, auf bessere Zeiten zu warten.
Das Zweite Vatikanum wollte das sicher nicht, dass man über so etwas auch nur nachdenkt, aber es wollte wohl noch weniger eine Kirchenleitung, welche die Umsetzung dieses Konzils verhindert!
Bye bye Schillebeeckx. Mach doch was du willst, schismatisch, freimaurerisch, satanisch, aber lass und römisch-katholisch sein und zwing uns nicht deine Vorstellung von "Kirche" auf.
@Katholik: Interessant, dass Sie Ihren unqualifierten Senf ( " satanisch" ) hier auf diesem BLog freigeschaltet bekommen... da ist Herrn Posch wohl ein gravierender Fehler unterlaufen.
Ein Schisma braucht es möglicherweise gar nicht mehr, wenn man folgende weisen Worte der Dakota-Indianer in Beziehung zur RKK, die im grunde bereits ein "Totes Pferd " ist, setzt:
1. Wir besorgen eine stärkere Peitsche.
2. Wir wechseln die Reiter.
3. Wir sagen: "So haben wir das Pferd doch immer geritten."
4. Wir gründen einen Arbeitskreis, um das Pferd zu analysieren.
5. Wir besuchen andere Orte, um zu sehen, wie man dort tote Pferde reitet.
6. Wir erhöhen die Qualitätsstandards für den Beritt toter Pferde.
7. Wir bilden eine Task Force, um das tote Pferd wiederzubeleben.
8. Wir schieben eine Trainingseinheit ein, um besser reiten zu lernen.
9. Wir stellen Vergleiche unterschiedlich toter Pferde an.
10. Wir ändern die Kriterien, die besagen, ob ein Pferd tot ist.
11. Wir kaufen Leute von außerhalb ein, um das tote Pferd zu reiten.
12. Wir schirren mehrere tote Pferde zusammen an, damit sie schneller werden.
13. Wer sagt dass man tote Pferde nicht reiten kann?
14. Wir lassen das Pferd schnellstens zertifizieren.
15. Wir frieren das Pferd ein und warten auf eine neue Technik, die es uns ermöglicht, tote Pferde zu reiten
16. Wir bilden einen Gebetskreis, der unser Pferd gesund betet.
17. Wir stellen das tote Pferd bei jemand anderem in den Stall und behaupten, es sei seines.
18. Wir stellen fest, dass die anderen auch tote Pferde reiten und erklären dies zum Normalzustand!
19. Wir ändern die Anforderung von "reiten" in "bewegen" und erteilen einen neuen Entwicklungsauftrag.
20. Wir sourcen das Pferd aus.
21. Wetten, dass das Vieh nur simuliert!
22. Wenn man das tote Pferd schon nicht reiten kann, dann kann es doch wenigstens eine Kutsche ziehen!
23. Wir erklären: "Kein Pferd kann so tot sein, dass man es nicht noch schlagen könnte."
24. Wir machen zusätzliche Mittel locker, um die Leistung des Pferdes zu erhöhen.
25. Wir machen eine Studie, um zu sehen, ob es billigere Berater gibt.
26. Wir kaufen etwas zu, das tote Pferde schneller laufen lässt.
27. Wir erklären, dass unser Pferd "besser, schneller und billiger" tot ist.
28. Wir bilden einen Qualitätszirkel, um eine Verwendung für tote Pferde zu finden.
29. Wir überarbeiten die Leistungsbedingungen für Pferde.
30. Wir richten eine unabhängige Kostenstelle für tote Pferde ein..
Den Beitrag hätte man auch tileln können: "Mißachtung eines Prinzips".
Denn hintangesetzt wird das Subsidiaritäts-Prinzip, das die H.H. römischen Prälaten und auch ihre literarischen Zureicher (Substitute) nicht zu kennen scheinen.
Sehr deutlich und auch sprachlich klar findet es sich bei
http://www.uni-siegen.de/fb5/merk/downloads/lehrmittel/subsidiaritaetsprinzip_definitionen.pdf
dargestellt.
Papst Pius XII hat ausdrücklich festgestellt, daß dieser Grundsatz auch **für die Kirche** gälte.
Das (ständige) Zuwiderhandeln gegen das Subsidiaritäts-Prinzip führt zu dem, was Merk "Frustrationseffekt" nennt. Und das genau beschreibt auch der Gastbeitrag von Peter Pawlowsky.
Genau darum geht es: „Rom regiert eine Kirche, die es gar nicht mehr gibt“. Was heute in der röm.-katholischen Kirche vor sich geht, ist die vollkommene Umkehrung des Evangeliums: „Die Hirten sollen für die Schafe da sein“. Seit die Kirche zur Staatskirche geworden ist, scheint es – mit wenigen Ausnahmen - genau umgekehrt zu sein. Das Volk soll für die Hirten da sein, die Priester für die Bischöfe, die Bischöfe für den Papst. Hirten, die wirklich für ihre Schafe da sind, werden verdächtigt, gemaßregelt, fallengelassen oder abgesetzt. Sie gefährden die Herrschaftsansprüche der Hierarchie.
Kein Wunder, dass dann „mündige Schafe“ bei diesem Trauerspiel nicht mehr mitmachen wollen!
„und zwing uns nicht deine Vorstellung von "Kirche" auf.“ Werter Herr Katholoik! Niemand zwingt Ihnen die eigene Vorstellung von Kirche auf. Sie können röm.-kath. sein wie Sie wollen und Sie können selig werden, wie Sie wollen. Das hindert aber niemanden daran, von einer Kirche des Evangeliums, die nicht verknöcherten Strukturen unterworfen ist, zu träumen!
p.s. Einen unbekannten (wenn auch nur vermeintlichen) Gegner tut man nicht duzen, auch dann nicht, wenn Sie glauben, dieser sei in Unrecht! Und wenn sie seine Argumente nicht verstehen, heißt es noch lange nicht, dass diese gleich satanisch etc. sind! Vielleicht verstehen Sie einfach die „Zeichen der Zeit“ falsch?
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