Samstag, 21. Januar 2012

Quelle für "Jahr des Glaubens" ist Katechismus und nicht die Bibel

Em. Univ. Prof. Dr. Hans J. Stetter, Wien

Das Motu proprio "Porta fidei",
mit dem von Papst Benedikt XVI. am 11.10.2011 ein Jahr des Glaubens ausgerufen wird.

Als Anlass für das am 11.10.2012 beginnende Jahr dienen zwar der 50. Jahrestag des Beginns des 2. Vatikanischen Konzils und der 20. Jahrestag der Veröffentlichung des Katechismus des Katholischen Kirche (KKK); jedoch werden die Bedeutung und der allgemeine Nutzen eines solchen Ereignisses für die Gläubigen und für die gesamte Kirche breit dargestellt und auf die einberufene Vollversammlung der Bischofssynode für den Oktober 2012 zum Thema "Die Neuevangelisierung zur Weitergabe des christlichen Glaubens" hingewiesen. Das Wort "Glauben" bezieht sich dabei zunächst vornehmlich auf den Glaubensakt ("fides qua creditur"); es wird dann auf die hierfür notwendige Kenntnis des Glaubensinhalts übergeleitet, weil "eine tiefe Einheit zwischen dem Glaubensakt und den Inhalten, denen wir zustimmen" besteht. Andrerseits wird nach Lukas betont, "dass die Kenntnis der zu glaubenden Inhalte nicht genügt, wenn ... das Herz nicht durch die Gnade geöffnet wird".

Als Zugang zu einer systematischen Kenntnis der Glaubensgeheimnisse wird dann der KKK herausgestellt, in dem "der Reichtum der Lehre aufleuchtet, die die Kirche in den zweitausend Jahren ihrer Geschichte empfangen, gehütet und dargeboten hat". Die Kongregation für die Glaubenslehre ist beauftragt worden, "eine Note zu erstellen, mit der der Kirche und den Gläubigen einige Hinweise gegeben werden, um dieses Jahr des Glaubens auf höchst wirksame und geeignete Weise im Dienst des Glaubens und der Evangelisierung zu leben".

Nach einer nochmaligen ausführlichen Darstellung der Bedeutung des Glaubens vom Beginn der Kirche bis heute folgt in Nr. 14 noch ein Hinweis auf die gleichzeitige Bedeutung der Werke mit dem Jacobus-Zitat "... ist der Glaube für sich allein tot, wenn er nicht Werke vorzuweisen hat". Es wird auch nirgends auf die Bedeutung der Heiligen Schrift für den Erwerb und die Pflege des Glaubens hingewiesen. Offenbar ist an eine gemeinsame Feier des Jahres des Glaubens mit den Kirchen der Reformation, die eigentlich ja naheliegend wäre, nicht gedacht!

Note mit pastoralen Hinweisen zum Jahr des Glaubens der Kongregation für die Glaubenslehre (6.1.2012)

In einer ausführlichen Einführung, in der zunächst an die Ausführungen des Papstes in "Porta fidei" angeschlossen, aber auch auf die Bedeutung des 2. Vatikanischen Konzils für die unverfälschte und vollständige Weitergabe der katholischen Lehre (bei Verwendung der richtigen Hermeneutik) hingewiesen wird, wird dann die Bedeutung des KKK als "sichere Norm für die Lehre des Glaubens" und ein "gültiges und legitimes Werkzeug im Dienst der kirchlichen Gemeinschaft" herausgestellt. Tatsächlich ist der eigentliche Inhalt der Note ("Hinweise") fast ausschließlich dem Einsatz des KKK im Rahmen des Jahres des Glaubens sowohl für die Gläubigen wie für die Neuevangelisierung gewidmet; das Stichwort KKK kommt in dem Schreiben 22-mal vor! Dabei wird der Zusammenhang zwischen dem "Glauben als persönlichem Vertrauen auf den Herrn (fides qua) und dem Glauben, den wir im Credo bekennen (fides quae)," als untrennbar bezeichnet, da sie sich gegenseitig bedingen und erfordern. Begründet wird diese Feststellung mit dem Verweis auf einen Satz im KKK, der selber nicht ausreichend begründet ist!

Die nachfolgenden konkreten "Hinweise" sind für alle Teile der Kirche bestimmt:
Nacheinander werden behandelt
die weltkirchliche Ebene
die Ebene der Bischofskonferenzen
die Ebene der Diözesen
die Ebene der Pfarreien / Gemeinschaften / Vereinigungen / Bewegungen

Dabei fallen u. a. die folgenden Eigenheiten auf1:
1 Die durchaus zahlreichen naheliegenden und sinnvollen Vorschläge sind hier nicht aufgelistet.
- Weltkirche: Die Kenntnis der Inhalte der katholischen Lehre soll durch Symposien etc., auch auf internationaler Ebene, gefördert werden. Einige Zusammenkünfte sollen vor allem der Wiederentdeckung (!) der Lehren des 2. Vatikanums dienen.

- Weltkirche: Besonders für Priesteramtskandidaten soll die Kenntnis der wichtigsten Dokumente des 2. Vatikanums und das Studium des KKK vertieft werden.

- Bischofskonferenzen: Lokale Katechismen sollen auf ihre volle Übereinstimmung mit dem KKK überprüft werden; im Fall von Lücken oder bei nicht vollem Einklang soll die Arbeit an neuen Texten begonnen werden.

- Bischofskonferenzen: Es sollen apologetische Hilfsmittel vorbereitet werden zur besseren Beantwortung von ... "Fragen, die aus einer veränderten Mentalität herrühren, die ... den Bereich der Gewissheiten auf den der wissenschaftlichen und technologischen Errungenschaften reduziert".

- Diözesen: In einen kreativen Dialog zwischen Glaube und Vernunft soll die Welt der Wissenschaft und der Kultur neu(!) mit einbezogen werden. Dabei ist zu zeigen, "dass zwischen Glauben und authentischer(!) Wissenschaft kein Konflikt bestehen kann, da beide - wenn auch auf verschiedenen Wegen ... nach der Wahrheit streben".

- Pfarren: Lesen des KKK in Gruppen von Gläubigen.

Auf keiner Ebene wird die Heilige Schrift als Quelle für den Glaubensinhalt empfohlen. Die teilweise schon 1992 antiquierte und auf vorkonziliare Auffassungen zurückgehende Denk- und Sprechweise des KKK wird nirgends als ergänzungsoder gar revisionsbedürftig angemerkt. So kommt ja etwa im KKK nicht einmal das Wort "Evolution" vor, die Entstehung des menschlichen Lebens wird als durch die Genesis beschrieben angenommen!

Durch die rigorose Bindung lokaler Katechismusversionen an den KKK wird einer auch nur ansatzweisen Inkulturation des Glaubensinhalts von vorneherein eine Absage erteilt! Ebenso verbietet dies eine Adaption an die Bedürfnisse bestimmter Bevölkerungsgruppen - (Jugend, Gebildete, etc.).

Ein ökumenisches Vorgehen wird nur am Rande erwähnt: Auf weltkirchlicher Ebene soll ein(!) feierlicher Ökumenischer Gottesdienst stattfinden, und das Verhältnis von Glaube und Kunst soll gegebenenfalls ökumenisch bearbeitet werden.

Auf Grund all dieser Bemerkungen ist nicht zu erwarten, dass die vom Vatikan ausgehenden Impulse eine Breitenwirkung in Bezug auf die Evangelisierungsbemühungen vor Ort haben werden. Zudem erwecken die Vermeidung expliziter Hinweise auf die Lektüre der Heiligen Schrift in beiden Dokumenten sowie die Betonung der "Werke" zusätzlich zum Glauben in "Porta dei" Erinnerungen an Perioden der Kirchengeschichte, die man eigentlich als endgültig überwunden annimmt.

Quellen:
Apostolisches Schreiben "Porta fidei" >>

Note der Glaubenskongregation >>



Pressemeldungen:

Vatikan ruft Bischofskonferenzen zur Überprüfung der Katechismen auf
Der Vatikan hat die Bischofskonferenzen zu einer Überprüfung der von ihnen herausgegebenen Katechismen aufgerufen. Ziel ist, etwaige Abweichungen von der offiziellen katholischen Glaubenslehre zu korrigieren. Hintergrund ist das „Jahr des Glaubens“.
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Vatikan: Konzilsjubiläum ist auch Weltkatechismusjubiläum
Der Weltkatechismus, das von Benedikt XVI. promulgierte "Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche" und der von Kardinal Schönborn mitinitiierte "YouCat" sollen drei zentrale Pfeiler für das kommende "Jahr des Glaubens" sein
Weiter auf Kathweb >>

6 Kommentare:

Regina hat gesagt…

Schon auf den ersten Blick fällt auf: Für die Zeit der Besinnung und der Wiederentdeckung des Glaubens wird die Bibel nicht gebraucht. Bibellesen und biblische Verkündigung werden durch das Studium des Katechismus oder Nachsprechen des Glaubensbekenntnisses (mit seinen überholten Worten) ersetzt. Schließlich enthält der ‚Weltkatechismus’ auf seinen über 800 Seiten bereits alle Antworten, selbst auf Fragen, die heute ein Suchender kaum stellen würde. Das alte Kirchenverständnis lässt grüßen. Weltkatechismus ? Nein,danke ! Ich lasse mich nicht wie ein " dummes Kirchenschaf" auf eine wahrhaft vorkonziliare Theologie einschwören nach dem Motto: Kopf runter und weitergrasen!". Dr.theol.+ phil Hans-Jürgen Verweyen beschreibt in seinem Buch " Der Weltkatechismus - Therapie oder Symptom einer kranken Kirche? (1993)": Ein Vergleich der Anfangskapitel des WK, die über Offenbarung, Glaube, Tradition und Schriftauslegung handeln , mit den entsprechenden Passagen in der Offenbarungskonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils zeigt im Ergebnis überraschend: durch geschicktes Zitieren und Paraphrasieren werden zentrale Aussagen von " Dei verbum" zurückgebogen auf eine Theologie hin, die man durch das harten Ringen der Konzilsväter um eine gemeinsam zu verantwortende Wahrheit überwunden glaubte... Bei der Frage nach Jesus Christus (nach den Beobachtungenübetr den Umgang mit dem Wort Gottes in der Kirche und auch in der Art und Weise, wie man das fleichgewordene Wort selbst zur Sprache bringt und es in Beziehung zur Kirche sieht, wird sich ein Bild ergeben, das man wohl nur als Krankheitsbild verstehen kann, als Symptom einer Lehrentwicklung, die geradezu paranoid erscheint... Luther rüttelte die Christenheit wach, als er auf der kritischen Suche nach den Ursprüngen der Tradition "Aug in Aug " mit dem Apostel Paulus der unverstellten Wirklichkeit Jesu Christi begegnete. Beim heutigen Stand der historisch-kritischen Exegese sind wir in der Lage, auch andere Autoren des NT , insbesondere die Evangelisten, in ihrer spezifischen Eigenart als Zeugen jener Wirklichkeit zu erkennen. Nutzen wir diese Möglichkeit, dann würden wir vom Oberflächenpluralismus entmüdigter Adamskinder vielleicht erstmalig erfahren, was radikale Pluralität ist. Und als gehorsame Kinder der Mutter Kirche könnten wir beglückt erleben, dass wir im Ernstnehmen der nur in solcher Pluralität erkennbaren Wirklichkeit des fleischgewordenen Gottes die Einheit des Glaubens nicht verlieren, um die die Hüter des Glaubensguts heute eine so krankhafte Sorge entwickelt haben." Der „Weltkatechismus“ hat (wie das sogenannte „Kirchen“-„Recht“) wenig mit dem wegweisenden II. Vaticanum zu tun. Nun verlangt das Politbüro völlige Konformität – nicht etwa mit dem Konzil oder gar dem Evangelium Jesu, sondern mit dem Katechismus der Herren Ratzinger und Schönborn. Jeder Autor einer neutestamentlichen Schrift repräsentiert eine Lokalgemeinde, wie sie die Botschaft Jesu in ihren unterschiedlichen Gegebenheiten verstanden und umgesetzt hat. Der Auftrag bestünde also auch heute darin, dass jede Gemeinde versucht, in ihrer je eigenen, lokalen Situation die Nachfolge Jesu zu verstehen und im Alltag umzusetzen. Wie würde die „Weltkirche“ aufblühen, welch vielfältige, bunte, faszinierende Pracht entstünde, würde/dürfte man „Kirche in der Welt von heute“ so verstehen und praktizieren. Das "Politbüro in Rom" aber verlangt das genaue Gegenteil (man weiss ja, dass Ratzinger nichts von dieser Konstitution hält und sie mindestens ausblendet, lieber noch ins Gegenteil verdreht): Die katholischen Gemeinden auf dem ganzen Erdenrund sollen gleichgeschaltet werden, statt dass die Botschaft Jesu in der je andern gesellschaftlichen Situation inkarniert und inkulturiert wird. Jeder Bischof verpflichtet sich vor seiner Weihe mit Eid, nur zu denken, zu reden und zu tun, was der Papst denkt, redet und tut: jeder ein päpstlicher Klon.

Aquilea hat gesagt…

Jawohl, "Politbüro" ist der richtige Ausdruck: die Kirche in ihrer heutigen Form ist tatsächlich eine Diktatur, die alles Schöpferische verbietet, unterdrückt!
Freihet des Geistes war und ist immer schon ein Gefahr für selbsernannte Diktatoren gewesen! Aber auch ihr Untergang. Wo ein radikales Weiterdenken verboten ist und kein Platz mehr für den Schöpfergeist da ist, dort schaufeln die Diktatoren ihr eigenes Grab. So gingen alle Diktaturen zu Grunde und mit ihnen wird auch die Kirche in ihrer heutigen Scheinwelt zu Grunde gehen. Und ihr Totengräber heißt "Papa Ratzinger"!

Anonym hat gesagt…

Richtig. Die besagte Pluralität geht auch mir in der Kath. Kirche ab. Sie könnte viel bunter sein. Meine Freunde sind Esoteriker. Die passen aber sehr gut hinein, sie glauben ja auch an göttliche Schwingungen. Interessant wäre dann auch eine Position in der KK, wie sie Rudolf Augstein vertrat, dass Jesus leibliche Brüder hatte, aber gar keine historisch fassbare Person war. Man kann diese Meinungen doch leicht inkulturieren. Übrigens: Warum kann ich als Atheist nicht Vollmitglied der KK sein? Im Neuen Testamnet lassen sich sicher Stellen finden, die dafür sprechen. Lk 9,50 "Wer nicht gegen euch ist, ist für euch." Ich bin ja für euch. Also gehöre ich dazu. Wir sind Kirche! Aber ob wir da nicht mit Hans Hurka oder Helmut Schüller gleichgeschaltet sind und jeder von uns ist nur ein gegenpäpstlicher Klon?!

Markus Ankerl hat gesagt…

Gerade satirische Kommentare - ich schätze solche sehr - sollten versuchen logisch konsistent Bezug zu nehmen. Auch wenn Sie, Bruder Anonym - arbeiten Sie etwa für die Rewe-Gruppe? - vom Begriff katholischer Weite verwirrt sind, sollte Ihr Kommentar nicht so wirr ausfallen. Gute Satire ist sehr schwer. Noch schwerer ist mit der Verschiedenheit von uns Christen untereinander christlich um zu gehen...

Schillebeeckx hat gesagt…

Diese vatikanische Vorgangsweise kann niemanden überraschen, der den Umgang jener Herren mit der Heiligen Schrift in den letzten Jahrzehnten gut beobachtet hat. Anstatt ein bahnbrechendes Konzilsdokument wie "Dei Verbum" mutig fortzuführen, flüchten sie sich in die vorkonziliare Katechismuswelt zurück.

Da werden große Teile des Kirchenvolkes nicht mitmachen, und das ist auch gut so. Der Kampf geht weiter.

Mit wachsamen Konzilsgrüßen,

Schillebeeckx

Anonym hat gesagt…

Herr Ankerl, vielleicht haben Sie - trotz Oberlehrergehabe - einfach nicht erkannt, dass mein Text "logisch konsistent" ist. Aber auch wenn er der Form der Satire nicht entsprechen würde, so gilt eben, dass sich das Leben nicht in literarische Gattungen pressen lässt. Ich hoffe nämlich, dass es neben der Selbstgerechtigkeit, die ich bei Ihnen zu orten meine, auch bei Ihnen die Einsicht eigener Schwäche gibt. Und darum wollen wir es gemeinsam lernen, "mit der Verschiedenheit von uns Christen christlich umzugehen". Michael Kerner