Dienstag, 9. Juni 2015

Franziskus in Sarajevo: Aufruf zum Einsatz für Frieden in der Welt

Predigt von Papst Franziskus bei der Messe im Koševo Stadion, 6. Juni 2015

Papstpredigt: Wie baut man den Frieden auf?

Liebe Brüder und Schwestern,

in den biblischen Lesungen, die wir gehört haben, ist mehrmals das Wort „Frieden“ aufgetreten. Es ist ein prophetisches Wort par excellence! Frieden ist der Traum Gottes, Gottes Plan für die Menschheit, für die Geschichte und mit der ganzen Schöpfung. Es ist ein Plan, der immer auf Widerstand von Seiten des Menschen oder von Seiten des Bösen stößt. Auch in unserer Zeit kollidieren das Streben nach Frieden und der Einsatz, ihn aufzurichten, mit der Tatsache, dass in der Welt zahlreiche bewaffnete Konflikte im Gang sind. Es ist eine Art dritter Weltkrieg, der „stückweise“ geführt wird; und im Bereich der globalen Kommunikation nimmt man ein Klima des Krieges wahr.

Es gibt welche, die ein solches Klima absichtlich schaffen und schüren wollen, insbesondere jene, die den Zusammenstoß zwischen verschiedenen Kulturen und Zivilisationen suchen, und auch jene, die mit den Kriegen spekulieren, um Waffen zu verkaufen. Doch Krieg bedeutet Kinder, Frauen und alte Leute in Flüchtlingslagern; bedeutet Vertreibungen; bedeutet zerstörte Häuser, Straßen und Fabriken; bedeutet vor allem so viele zerbrochene Leben. Ihr kennt das zu gut, weil ihr es gerade hier erlebt habt: wie viel Leiden, wie viel Zerstörung, wie viel Schmerz! Heute, liebe Brüder und Schwestern, erhebt sich noch einmal aus dieser Stadt der Schrei des Volkes Gottes und aller Männer und Frauen guten Willens: Nie wieder Krieg!

Inmitten dieses Kriegsklimas erklingt das Wort Jesu im Evangelium wie ein Sonnenstrahl, der die Wolken durchbricht: „Selig, die Frieden stiften“ (Mt 5,9). Es ist ein immer aktueller Aufruf, der für jede Generation gültig bleibt. Er sagt nicht: „Selig, die Frieden predigen“; denn alle sind fähig, ihn zu verkünden, auch in scheinheiliger oder sogar lügnerischer Weise. Nein. Er sagt: „Selig, die Frieden stiften“; das heißt, die ihn herstellen. Frieden herzustellen ist eine „handwerkliche“ Tätigkeit, die Leidenschaft, Geduld, Erfahrung und Ausdauer erfordert. Selig sind die, die Frieden säen mit ihren alltäglichen Taten, mit dienstbereitem Auftreten und Handeln und mit Gesten der Brüderlichkeit, des Dialogs und der Barmherzigkeit … Ja, diese „werden Söhne Gottes genannt werden“. Denn Gott sät Frieden, immer und überall. Als die Zeit erfüllt war, hat er seinen Sohn in die Welt „ausgesät“, damit wir Frieden hätten! Frieden herzustellen ist eine Arbeit, die jeden Tag weiterzuführen ist, Schritt für Schritt, ohne je zu ermüden.

Wie macht man das, wie baut man den Frieden auf? Das hat uns auf grundsätzliche Weise der Prophet Jesaja in Erinnerung gerufen: „Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein“ (32,17). „Opus iustitiae pax“, wie es in der Version der „Vulgata“ heißt und zu einem berühmten Motto geworden ist, das auch prophetisch von Papst Pius XII. übernommen wurde. Der Friede ist Werk der Gerechtigkeit. Auch hier gilt: Es ist nicht eine vorgetragene, theoretisch durchgespielte, geplante Gerechtigkeit, sondern eine praktizierte und gelebte Gerechtigkeit. Und das Neue Testament lehrt uns, dass die vollkommene Erfüllung der Gerechtigkeit darin besteht, den Nächsten zu lieben wie sich selbst“ (vgl. Mt 22,39; Röm 13,9). Wenn wir mit der Gnade Gottes dieses Gebot befolgen, wie ändern sich dann die Dinge! Weil wir uns ändern! Diese Person, dieses Volk, das ich als Feind ansehe, hat in Wirklichkeit das gleiche Gesicht wie ich, das gleiche Herz wie ich, die gleiche Seele wie ich. Wir haben den gleichen Vater im Himmel. Daher bedeutet die wahre Gerechtigkeit, dieser Person, diesem Volk das zu tun, von dem ich möchte, dass es mir und meinem Volk getan werde (vgl. Mt 7,12).

Der heilige Paulus hat uns – in der zweiten Lesung – die notwendigen Haltungen zur Schaffung des Friedens aufgezeigt: „Bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!“ (Kol 3,12-13).

Hier haben wir die Haltungen, um „Handwerker“ des Friedens im Alltag zu sein, dort wo wir leben. Nun dürfen wir uns aber nicht einbilden, dass dies nur von uns abhängt! Wir würden einem trügerischen Moralismus verfallen. Der Friede ist Gabe Gottes, nicht im magischen Sinn, sondern weil Er mit seinem Geist diese Haltungen in unsere Herzen und in unser Fleisch einprägen kann. Er kann uns zu wirklichen Werkzeugen seines Friedens machen. Und tiefgründig sagt der Apostel, dass der Friede Gabe Gottes ist, weil er Frucht seiner Versöhnung mit uns ist. Nur wenn der Mensch sich mit Gott versöhnen lässt, kann er Friedensstifter werden.

Liebe Brüder und Schwestern, auf die Fürsprache der Jungfrau Maria bitten wir heute gemeinsam den Herrn um die Gnade, ein lauteres Herz zu haben; um die Gnade der Geduld; um die Gnade, für die Gerechtigkeit zu kämpfen und zu arbeiten; um die Gnade, barmherzig zu sein, auf den Frieden hin zu arbeiten, Frieden und nicht Krieg und Zwietracht zu säen. Das ist der Weg, der zum Glück führt, der selig macht.
Radio Vatikan >>


Papst an bosnische Jugendliche: Sorgt für Frieden!
Mit einer großen Begegnung mit Jugendlichen ist der Ein-Tages-Besuch von Papst Franziskus in Bosnien-Herzegowina am Samstag zu Ende gegangen. Bei dem Treffen, eine Art ‚Mini-Weltjugendtag‘, kam auch eine junge bosnische Serbin zu Wort; sie berichtete über ein ökumenisches Projekt katholischer und orthodoxer Jugendlicher. „Unser Ziel ist es, dass wir uns besser kennenlernen, unsere Ähnlichkeiten wahrnehmen und unsere Unterschiede verstehen. Damit wollen wir die Vorurteile überwinden, die unter uns bestehen, und den Frieden in Bosnien-Herzegowina bewahren.“ Ein multiethnischer Kinderchor sang von Versöhnung.

Wie schon zuvor in der Kathedrale verzichtete Franziskus auf das Verlesen seiner vorbereiteten Rede; stattdessen ließ er sich auf ein Frage-Antwort-Spiel mit ein paar jungen Leuten auf dem Podium ein. Ja, es stimme, dass er seit den neunziger Jahren kein TV mehr sehe, sagte er auf eine entsprechende Frage; er habe damals „gemerkt, dass das Fernsehen mir nicht gut tat“. Bestimmt sei er in dieser Hinsicht „antik, aus der Steinzeit“, und er verstehe ja auch, dass sich die Zeiten geändert hätten und wir jetzt „in der Zeit der Bilder“ lebten. „Aber in der Zeit des Bildes muss man dasselbe tun, was man früher in der Zeit der Bücher tat: auswählen, was mir guttut!“

Die Fernsehanstalten hätten eine große Verantwortung, mahnte der Papst. „Aber die Verantwortung, das richtige Programm auszuwählen, haben wir selbst. Wenn da etwas läuft, was uns nicht guttut, was die Werte niedermacht, auch Schweinereien – den Kanal wechseln! Das machten wir schon in meiner Steinzeit mit den Büchern so.“

Jugendliche sollten nicht „am Computer kleben und Sklaven des Computers sein“, sonst hätten sie keine Freiheit. „Und wenn du da schmutzige Programme suchst, verlierst du die Würde! Schaut Fernsehen und nutzt den Computer, aber für Dinge, die uns wachsen lassen und die uns guttun!“

Nie Mauern bauen, immer nur Brücken

Franziskus sagte den Jugendlichen, sie seien die erste Generation seit langem, die in Bosnien ohne Krieg aufwachse. „Ich sehe, dass ihr keine Zerstörungen wollt – das ist etwas Großartiges! Ob du Muslim, Jude, Orthodoxer, Katholik bist – wir gehören zusammen, und wir wollen den Frieden! Das ist eine Erfahrung eurer Generation. Ihr habt eine große Berufung: Nie Mauern bauen, immer nur Brücken!“ Er habe mal einen Film über Sarajevo mit dem Film „Die Brücke“ gesehen: Wenn wir – wie während der Belagerung Sarajevos – blockiert seien, dann sei die Zukunft der Stadt in Gefahr.

Alle redeten von Frieden, fuhr der Papst fort: „Einige Mächtige der Welt sagen schöne Dinge über Frieden, aber gleichzeitig verkaufen sie Waffen! Von euch erwarte ich mir Ehrlichkeit – Kohärenz zwischen dem, was ihr denkt, sagt und tut. Das Gegenteil heißt Scheinheiligkeit.“ Zum Schluß der Begegnung wurde dem Papst eine Bronzestatuette seines Vorgängers, des heiligen Johannes Paul II. überreicht. Der polnische Papst hatte Sarajevo 1997, zwei Jahre nach Kriegsende, besucht.

Franziskus grüßte auch die vor dem Zentrum wartenden Jugendlichen, die im Innern keinen Platz mehr gefunden hatten, und bezog sich einmal mehr auf das Motto seiner Reise: „Mir vama, Friede sei mit euch! Das ist die Aufgabe, die ich euch hinterlasse. Frieden schließt man mit allen, mit Muslimen, Orthodoxen, Juden – alle sind wir Brüder, alle sind wir Kinder Gottes! Niemals Trennung zwischen euch! Brüderlichkeit und Einigkeit!“
Radio Vatikan >>


Papst ruft in Sarajevo zum Frieden auf: "Nie wieder Krieg"
Papst Franziskus hat in Sarajevo zum Einsatz für den Frieden in der Welt aufgerufen. Aus der im Bosnien-Krieg leidgeprüften Stadt erhebe sich der "Schrei des Volkes Gottes und aller Männer und Frauen guten Willens: Nie wieder Krieg", sagte er am Samstag während eines Gottesdienstes mit 65.000 Menschen im Kosevo-Stadion der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas. Krieg bedeute Kinder, Frauen und alte Leute in Flüchtlingslagern, Vertreibungen sowie zerstörte Häuser und Fabriken, so Franziskus in seiner Predigt. Vor allem aber bedeute er "so viele zerbrochene Leben". In Sarajevo sei diese Erfahrung besonders präsent.
Die zahlreichen bewaffneten Konflikte, die gegenwärtig seien eine "Art dritter Weltkrieg, der stückweise geführt" werde, sagte der Papst weiter. Er beklagte zudem ein "Klima des Krieges", das in die "globale Kommunikation" eingekehrt sei. Christen müssten sich dieser Entwicklung entgegenstellen und als Friedenstifter wirken.
Kathpress >>


Papst in Sarajevo: Nie wieder Krieg!
Frieden, Dialog und Versöhnung war die zentrale Mission der 8. Auslandsreise von Papst Franziskus an diesem Samstag nach Sarajevo.
Papstgeflüster.de >>


Sarajevo - Papst spricht in Bosnien von "Drittem Weltkrieg"
Kirchenoberhaupt traf Vertreter von Katholiken, Orthodoxen, Muslimen und der jüdischen Gemeinde
DerStandard >>

Kommentar: Papst in auswegloser Mission
Er kam, blieb kurz und musste auf jedes Wort, jede Geste achten. Der Papst in Sarajewo ist mehr als ein katholisches Kirchenereignis. Es ist große politische Diplomatie - leider ohne Folgen, meint Volker Wagener.
Deutsche Welle >>


Ähnlicher Appell von Papst Franziskus für den Frieden:

Papst an kleine "Friedensarbeiter": Frieden ist Handwerk
Papst Franziskus hat an diesem Montag im Vatikan 7.000 kleine „Friedensarbeiter“ empfangen. Im Rahmen der italienischen Bildungsinitiative „Fabbrica della pace“ – Friedensfabrik - kamen Grundschulkinder verschiedener ethnischer und sozialer Herkunft in die Audienzhalle, um mit dem Papst über Frieden, Liebe und Gerechtigkeit zu plaudern. Die Papstaudienz ist das erste Projekt der Solidaritäts- und Bildungskampagne, die vom italienischen Bildungsministerium, Kinderschutzinstitutionen und dem Komitee für Kinderrechte der Vereinten Nationen unterstützt wird.
„Warum wollen so viele Regierenden nicht den Frieden? Weil sie vom Krieg leben! Es ist die Waffenindustrie – das ist schwerwiegend! Einige Mächtige verdienen mit der ,Fabrik der Waffen‘, verkaufen Waffen an verfeindete Länder. Das ist die Industrie des Todes.“ Und der Papst riet den Kindern, sich die Welt der Macht, des Geldes und der Interessen, mit der auch sie in Berührung kommen, genau anzusehen: „Wenn wir sehen, dass das Wirtschaftssystem um das Geld kreist, und nicht um die menschliche Person… Man opfert viel und führt Krieg, um das Geld zu verteidigen! Deshalb wollen so viele Menschen keinen Frieden: Sie verdienen mehr mit dem Krieg. Man verdient Geld, aber verliert Leben, Kultur, Erziehung, so viele Dinge.“
Radio Vatikan >>

Papst Franziskus küsst den Priester Zvonimir Matijevic an der Stelle, wo die Handfesseln Spuren hinterlassen haben
Emotionale Momente gab es beim Treffen mit den Priestern, Ordensleuten und Seminaristen in Sarajevo
Papstbesuch noch immer Thema
In der Kirche in Bosnien und Herzegowina sind unterdessen noch immer die vielfältigen Eindrücke des Papstbesuches ein Thema. Einer der besonders berührenden Momente dies Besuches war das Zeugnis des Priesters Zvonimir Matijevic über seine Leiden, die er im Krieg erlitten hat. Infolge dessen erkrankte der Priester an multiple Sklerose (MS).

In einem Interview für die Katholische Presseagentur in Sarajevo, das am Dienstag veröffentlicht wurde, spricht Matijevic von jenem Moment, als der Papst nach seinem Glaubenszeugnis zu ihm kam. "Ich habe nicht erwartet, dass der Papst aufstehen und zu mir kommen würde. Deshalb war ich völlig verwirrt. Ich wurde von Emotionen überwältigt, meine Augen wurden voll von Tränen, und ich habe geweint. Ich habe erwartet, dass er mich segnen wird. Aber der Papst hat sich gebeugt und die Stellen an meinen Händen geküsst, an denen die Handfesseln die Spuren hinterlassen haben. Er hat mich um meinen Segen gebeten, was ich, noch immer verwirrt, getan habe. Danach hat er mich gesegnet. Der Papst ist wahrhaftig mit dem Geist Gottes erfüllt. Er ist spontan, und Christus hat ihn berührt, der das Kreuz auch durch mich getragen hat", sagte der Priester wörtlich.

Keine Kommentare: