Papst Franziskus ist ein kluger Mann. Die Kardinäle wählten ihn im Konklave 2013 auch aus dem Grund, weil er als Erzbischof von Buenos Aires immer wieder mit der Zentralbehörde in Rom aneinandergeraten war. Die Verhältnisse in der Kurie glichen spätestens zum Ende des Pontifikats Benedikt XVI. denen in Sodom und Gomorrha. Franziskus sollte saubermachen in dem wild gewordenen Hühnerhaufen. Die Öffentlichkeit wusste durch Skandale wie "Vatileaks" Bescheid.
Franziskus räumt nun auf. Er macht das auf seine Weise. Niemand unter den Kardinälen dürfte sich angesichts der starken Persönlichkeit des Argentiniers und den Zuständen in Rom wundern. Der Papst regiert bewusst an seinem Verwaltungsapparat vorbei. Aus seiner Sicht gibt es dazu keine Alternative, wenn die Änderungen nicht Stück für Stück von der Kurienmaschinerie zerschreddert werden sollen. In Rom gibt es de facto zwei Zentralen. Das Gästehaus Santa Marta, Wohn- und Arbeitsort des Papstes, in dem alle kirchenpolitischen Entscheidungen getroffen werden. Und dann ist da noch der übrig gebliebene Apparat der päpstlichen Räte und Kongregationen, der bei kirchenpolitischen Richtungsentscheidungen oft umgangen wird.
Meist schiebt der Papst wie jetzt bei der Reform der Eheannullierungen eine Kommission vor, die die jeweiligen Pläne umsetzt. Die Bischofssynode, auf der angeblich ein gemeinsamer Weg gefunden werden soll, ist das Feigenblatt des Papstes. Auch ihre Dynamik ist für Franziskus in Wahrheit sekundär, wie bei dem jüngsten Erlass deutlich wurde. Gegen die Pläne, so wie sie der Papst nun verfügt hat, gab es starke Widerstände.
Viele hochrangige Geistliche fühlen sich behandelt wie missachtete Stieftöchter. Auch das ist ein Grund, warum immer schärfer gegen Franziskus protestiert wird. Der Kern der Auseinandersetzung, die sich in der katholischen Kirche zuträgt, geht aber weit darüber hinaus. Der Papst wünscht sich eine Institution, in der Verbote weniger wichtig sind als die frohe Botschaft, die sie verkünden will. Die Bedenkenträger, die nicht nur in der Kurie sitzen, sind um den Kern des Glaubens besorgt. Beginnt man Dogmen wie die Unauflöslichkeit der Ehe auszuhöhlen, so fürchten sie, bricht bald das ganze Gebäude zusammen.
Beide Seiten haben ihre Argumente. Von der Synode im Oktober, die einem ersten Treffen im vergangenen Jahr folgt, ist inhaltlich wenig, emotional dafür umso mehr zu erwarten. Es geht um ein Kräftemessen, in dem die Verteidiger der Doktrin bereits verloren haben. Ein Anzeichen dafür, dass das Pendel deutlich zugunsten der Reformer ausschlägt, ist die jüngste Eherechts-Reform. Das Dogma der Unauflöslichkeit der Ehe ist durch die neuen Regeln de facto ausgehebelt.
Die als Schicksalsfrage beschworene Diskussion über die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten hat an Brisanz verloren. Wer ein zweites Mal heiraten will, ohne dafür von der Kirche bestraft zu werden, kann nun den komfortablen Weg eines kostenlosen Schnellverfahrens zur Eheannullierung wählen. Es ist schwer denkbar, dass die beiden Lager noch zu einem Kompromiss finden. Die katholische Kirche hat seit längerem zwei Seelen in ihrer Brust. So deutlich wie jetzt sind sie aber noch nie zu Tage getreten.
Kommentar von Julius Müller-Meiningen im Generalanzeiger >>
"Organisierter Widerstand" gegen Reformpapst?
Ist Papst Franziskus im Vatikan "unter Wölfen", wie ein aktueller Buchtitel nahelegt? Wie stark der Widerstand gegen den Papst aus Argentinien und seine Reformen ist, lässt sich nur schwer abschätzen. Die Rede ist sogar von einem "organisierten Widerstand" gegen Franziskus.
ZDF-Heute >> (Mit interessanten "Expertenstimmen zum Papst")
Die Kritik an der jüngsten Reform von Papst Franziskus
Rebellion im Vatikan?
Papst Franziskus hat im Vatikan nicht nur Freunde. Gerade seine jüngste Reform der Ehenichtigkeitsprozesse hat bei einigen Kurienmitarbeitern für Verärgerung gesorgt. Wie stark ist der Widerstand wirklich?
domradio.de >>
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