Der „Aufruf zum Ungehorsam“ der österreichischen Pfarrer-Initiative kann laut Kirchenrecht tiefgreifende Konsequenzen nach sich ziehen, über die der jeweilig zuständige Diözesanbischof entscheidet. Das erklärte der Leiter des Erzbischöflichen Diözesangerichts von Wien, Ernst Pucher, im Interview mit religion.ORF.at.
Mögliche Konsequenzen
Das Spektrum der möglichen Konsequenzen reiche von „einem einfachen Gespräch, in dem der betroffene Priester auf seine Fehler hingewiesen wird“ bis hin zur „Abberufung aus gewissen Ämtern“, so Pucher. „Eine erste Reaktion ist ja mit der öffentlichen Aussage von Bischof Kapellari bereits da, ob es weitere geben wird, kann ich nicht sagen.“
Unterschied zwischen Worten und Taten
Allerdings sei es ein deutlicher Unterschied, betont Pucher, ob die Pfarrer-Initiative ihren Aufruf bei Worten belassen oder ihm auch Taten folgen lassen würde. In seiner Allgemeinheit nehme das Dokument jedenfalls zu wenig Rücksicht auf Einzelfälle, in denen einige der Forderungen durchaus vertretbar seien. "Auf jeden Fall liegt die Entscheidung über Konsequenzen aber beim zuständigen Bischof, der eine angemessene Reaktion finden soll." Richard Potz vom Institut für Rechtsphilosophie und Kirchenrecht der Universität Wien meint auf Anfrage von religion.ORF.at nur ergänzend: "Theoretisch kann sicher mehr passieren, als praktisch passieren wird."
"Nur ein Chef: Gott“
Die Pfarrer-Initiative scheint sich darauf zu verlassen. Ungeachtet der scharfen Reaktion der Amtskirche bestehen sie darauf, bei ihren Forderungen bleiben zu wollen. „Kardinal Schönborn hat bei seiner Predigt anlässlich der Priesterweihe in Wien hauptsächlich vom Gehorsam dem Bischof und dem Papst gegenüber gesprochen und wieder einmal das Bild von der Firma gebracht“, sagt Udo Fischer, Vorstandsmitglied der Pfarrer-Initiative, im religion.ORF.at-Interview. „Da müssen wir schon deutlich sagen: Wenn man schon im Bezug auf die Kirche von einer Firma spricht, dann kann es nur einen Chef geben, und das ist Gott.“
Klares Bekenntnis der Bischöfe?
Die Pfarrer erwarten dementsprechend „ein klares Bekenntnis der österreichischen Bischöfe zu diesen Reformanliegen gegenüber der römischen Kirchenleitung“, sagt der Obmann der Initiative, Helmut Schüller. Dass diese Forderung zu unrealistisch sei, glaubt Schüller nicht: „Solche Reformen, die lange zurückgestaut werden, können oft relativ rasch gehen. Manchmal sind Dinge, die aussichtslos erscheinen, plötzlich möglich. Ich wage keine Prognose, aber dass die Dinge in den Augen vieler Menschen überreif sind, ist kein Thema."
Synode gefordert
Fischer hat sogar eine konkrete Vorstellung, wie ein erster Schritt in diese Richtung aussehen könnte: „Ich würde mir die Einberufung einer Synode, einer Kirchenversammlung wünschen. Das hat es in Österreich zum letzten Mal vor 40 Jahren gegeben und leider sind damals schon die gleichen Themen besprochen worden – nur wurden sie nie bearbeitet“, so Fischer. Trotz aller Kritik möchte man dezidiert mit den Bischöfen zusammenarbeiten: „Es bedarf eines gemeinsamen Weges des Kirchenvolks mit der Hierarchie – und das wäre am besten durch eine Synode möglich.“
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- Kirchlicher Aufruf zum Ungehorsam (02:45)
Die Pfarrer-Initiative, ein Zusammenschluss römisch-kritischer Geistlicher rund um den ehemaligen Wiener Generalvikar Helmut Schüller, ruft dazu auf, sich Anweisungen aus dem Vatikan wegen der Verweigerung einer Kirchenreform und der Untätigkeit der Bischöfe aktiv zu widersetzen.
Beitrag in der Presse:
Auch Laien stellen sich gegen Rom
Jene Priester, die zu Ungehorsam aufgerufen haben, werden von den Reformbewegungen "Laieninitiative" und "Wir sind Kirche" unterstützt. Pfarrer- und Laieninitiativen wollen innerkirchliche Reformen forcieren.
Plattform Wir sind Kirche:
„Wir sind Kirche“ unterstützt Pfarrer-Initiative
1 Kommentar:
Schön wäre die Solidarität weiterer Priester und Diakone, die der Pfarrer-Initiative beitreten. Hier der Link zur Anmeldung
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