Ein bisschen weniger. Beim Essen, beim Trinken; vielleicht sogar der zeitlich limitierte Totalverzicht auf liebgewordene Gewohnheiten: das ist es, was vielfach empfohlen wird zum Beginn der Fastenzeit. Und es macht Sinn. Nicht unbedingt in erster Linie religiös. Ein liebender Gott ist nicht angewiesen auf unsere Opfer. Aber sie können uns selber guttun. Sich überprüfen auf schleichend entstandene Abhängigkeiten oder Süchte, beim Alkohol zum Beispiel. Wer es schafft, bis Ostern abstinent zu sein, darf am Feiertag mit gutem Grund eine Flasche öffnen. Er hat sich selbst bewiesen, dass es auch ohne geht. Oder beim Essen. Sparsamer beim Fleisch, bewusster hin zum Gemüse: es schmeckt genauso gut und ist ein ökologischer Beitrag obendrein. Die Aufzucht von Tieren erfordert ungleich mehr Ackerland als die Produktion pflanzlicher Produkte.
Fasten und Umkehr aber auch im übertragenen Sinn: sich üben in der Wertschätzung anderer Positionen etwa. Das, was das Gegenüber von sich gibt, nicht von vornherein schlechtreden, in der Politik zum Beispiel, aber nicht nur. Versuchen, den Partner zu verstehen, und sei es noch so schwer. Ihm wenigstens den guten Willen zugestehen.
Fasten und Umkehr selbst in der katholischen Kirche. Ein einziger Mann in Rom „herrscht“ über eine Milliarde Mitglieder. Ein Ding der Unmöglichkeit eigentlich, und doch: der Papst scheint es nicht zu wagen, seinen Ortsvertretern mehr Autonomie zu gönnen. Mehr Autonomie auch in Fragen, die ohnedies vielfach bereits anders praktiziert werden als von Rom verordnet, und doch: das sehnsüchtig erwartete Zeichen der Legalisierung dieser Themen steht noch aus. Dass zumindest regional einmal erlaubt wird, was global noch lange nicht denkbar ist.
Fasten im Anspruch
Weltliche Regime haben die Gefahr solcher autoritärer Haltungen früher erkannt und ihren Provinzen mehr Rechte und Entscheidungsspielräume eingeräumt als Rom seinen Diözesen. Fasten im Herrschaftsanspruch wäre gefragt.
Österreichische Pfarrer begehren auf und drängen zur Umkehr, sie zeigen sich ungehorsam und sagen fünf Mal Nein. Weil sie nicht länger reisende Zelebranten und Sakramentenspender sein möchten und weil auch sie wie viele andere finden, dass Menschen in kritischen Situationen mehr Gnade verdienen als ihnen zur Zeit gewährt wird. Kurz vor der Fastenzeit haben sie ihren Ton gemäßigt. Der Ungehorsam kommt jetzt nicht mehr vor und auch das ist eine Form von Umkehr. Vielleicht schaffen es beide Seiten zurück an den Verhandlungstisch, es wäre fast ein Osterwunder.
Die Forderungen der Pfarrer sind uralt. Selbst bei der Diözesansynode in den Siebzigerjahren war davon bereits zu hören. Dass die Probleme noch immer nicht gelöst sind, verweist auf den erschreckenden Stillstand in der Kirchenpolitik, der mit dazu beiträgt, dass sich Menschen enttäuscht von der Kirche abwenden, in der sie Jahrzehnte lang Heimat gefunden haben. Aber auch, dass sich junge Menschen gewaltig schwertun, sich in einer Gemeinschaft zu engagieren, in der Bewegungslosigkeit das oberste Prinzip geworden zu sein scheint. Bewegung statt Stillstand wäre Umkehr. Gut passend zur Fastenzeit.
Bert Brandstetter
Quelle: OÖ-Nachrichten
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen