Der Papst macht Ernst: Franziskus will die katholische Kirche tatsächlich umkrempeln, nicht nur in reinen Stilfragen. Mit der skandalträchtigen Vatikanbank fängt er an. Geradezu demonstrativ umgeht er den alten Apparat. Das Establishment ist entsetzt.
Ein Kardinal in Rom verdient knapp 3000 Euro im Monat. Weniger als ein deutscher Pfarrer. Dabei ist das Kardinalsleben in Rom sehr teuer: die Restaurantbesuche, die Einkäufe in den Nobelboutiquen für die gehobene Kleidung der Kirchenmänner, der Schmuck am Finger und am Hals, die Antiquitäten im Apartment. Da ist es gut, Freunde zu haben, die einen hin und wieder einladen oder unterstützen.
Auch die Freunde finden es gut, einem Kardinal zu helfen - nicht nur aus religiösen Erwägungen. Ein Kardinal kann politisch und mitunter auch wirtschaftlich hilfreich sein. So hat sich in Rom ein symbiotisches Verhältnis von Teilen der Kurie mit der weltlichen Oberschicht herausgebildet, vereint in Bildung, Luxus und Macht. Diese schöne Tradition will der neue Papst Franziskus nun beenden - für das katholische Establishment bahnt sich eine Katastrophe an.
"Egoistisch" und "krank"
Schon vor seiner Inthronisierung als Papst hatte Kardinal Jorge Mario Bergoglio Klartext geredet: "Egoistisch" und "krank" sei die Kirche, hielt er den versammelten Kardinälen vor, "verkündend" müsse sie sein, "nicht mondän". Und das meint der Papst aus Argentinien offenbar ernst. Er demonstriert es jeden Tag.
Statt eines Goldkreuzes trägt er ein Kreuz aus Stahl am Hals. Statt im Apostolischen Palast wohnt er in einem spartanisch eingerichteten Apartment im Gästehaus Santa Marta. Und statt seinen Platz im vatikanischen Konzertsaal einzunehmen und klassischer Musik zu lauschen, blieb er neulich am Schreibtisch hocken und arbeitete an der Schlussfassung eines Dekrets zur kirchenstaatseigenen Bank IOR (Istituto per le Opere di Religione, zu Deutsch: "Institut für die religiösen Werke"). Mit dem Schriftstück schuf er eine schlagkräftige Untersuchungskommission, die die Aktivitäten der Bank überprüfen soll. Dem neuen Gremium gab er mit auf den Weg, es müsse sich alles ändern im IOR. Man brauche durchaus eine Bank im Vatikan, deren Geschäftsfeld dürfe "aber nur bis zu einem gewissen Punkt" reichen.
Päpstliche Bank mit Mafiakontakten
Seit Jahrzehnten macht das IOR immer wieder mit Affären Schlagzeilen. Anfang der achtziger Jahre stand es im Zentrum eines der finstersten Krimis der italienischen Nachkriegsgeschichte. Es ging um Milliardengeschäfte mit der Mafia; ein Vatikan-Bankier wurde von einem Killerkommando an einer Londoner Brücke erhängt.
Die Kette der Skandale riss nie ab. Als im Herbst 2010 erneut der Verdacht der Geldwäsche in dreistelliger Millionenhöhe aufkam, versprach der damalige Papst Benedikt XVI. Aufklärung und strengere Regeln für seine Finanzverwalter. Tatsächlich änderte sich nichts. Im sogenannten Vatileaks-Skandal kündeten bald darauf geschmuggelte Geheimdokumente von einem wirren Intrigenspiel im Kirchenstaat. Dabei ging es häufig auch um das päpstliche Bankhaus. Benedikt XVI. war entsetzt - und völlig überfordert. Gegen die mächtigen Kardinäle, die hinter dem IOR standen, konnte er sich nicht durchsetzen. Sein Rücktritt war die logische Konsequenz.
Schlossherr als Bankchef
Sein Nachfolger geht nun entschlossener ans Werk. Erst feuerte er mit Nunzio Scarano den obersten Buchhalter der vatikanischen Immobilienverwaltung, nachdem dieser unter Geldwäsche- und Korruptionsverdacht geraten und verhaftet worden war. Dann schickte er, quasi über Nacht, den IOR-Chef Paolo Cipriani und dessen Vize nach Hause. Nun soll, vorübergehend, ein schwäbischer Schlossherr die Problembank leiten: Ernst von Freyberg, früherer Unternehmensberater, Ritter des Malteser-Ordens und bereits seit Mitte Februar Präsident des IOR-Aufsichtsrats.
Bis Oktober will Franziskus sich Klarheit verschaffen und entscheiden, wie das kirchliche Geldinstitut künftig seine Finanzaufgaben in Einklang mit der "Mission der Kirche" wahrnehmen kann. Dann gibt es eine neue Unternehmensstruktur und einen neuen Chef.
"Wen haben wir da nur gewählt, der glaubt ja, was er predigt!", tuschelt man in der Kurie. Die hatte Franziskus wieder einmal völlig überrumpelt. Geradezu demonstrativ lässt er den vatikanischen Apparat außen vor, wo immer es geht. Zuletzt bei seinem für kommenden Montag angekündigten Besuch auf der süditalienischen Insel Lampedusa: Der Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone erfuhr davon erst aus der päpstlichen Presseerklärung. Statt nach monatelanger Vorarbeit, wie bislang die Katholiken-Oberhäupter zu reisen pflegten, wies der argentinische Sonderling einfach seinen kleinen Stab an, ein Flugzeug zu besorgen, morgens hin, mittags zurück.
Tausende Flüchtlinge kommen auf Lampedusa immer wieder an, Verzweifelte, die den Trip aus Nordafrika in unsicheren Bötchen gewagt haben. Mit ihnen will Franziskus beten und für diejenigen einen Kranz ins Meer werfen, die auf der Überfahrt ihr Leben verloren haben. Bürgermeister und andere Obrigkeiten will der Papst nicht treffen, auch kirchliche Würdenträger sollen sich fern halten, ließ er verlauten.
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