Montag, 2. Juni 2014

„Aufforderung zum Sinneswandel, nicht Ausschluss aus der Kirche“

 Stellungnahme der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche Deutschland

Die Exkommunikation von Dr. Martha und Gert Heizer aus der Diözese Innsbruck schlägt hohe Wellen, auch deshalb, weil Martha Heizer eine Initiatorin des Kirchenvolksbegehrens 1995 war und jetzt Vorsitzende der Plattform Wir sind Kirche in Österreich und Sprecherin von IMWAC, der Internationalen Bewegung Wir sind Kirche ist.
1.
Die Exkommunikation war zu erwarten. Nach dem CIC, dem kirchlichen Rechtsbuch, musste der Innsbrucker Bischof wegen des Versuchs einer Eucharistiefeier (can 1378 § 2 Nr.1) einschreiten.
Dem ist entgegenzuhalten:
Der CIC hat die theologischen Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils immer noch nicht vollends in Rechtsnormen gegossen.
Papst Paul VI. hat eine lex fundamentalis, ein Grundgesetz der Kirche in die Wege geleitet. Papst Johannes Paul II. hat diese Entwicklung gestoppt.
Nach der gegenwärtigen Rechtsnorm steht das gute Funktionieren der Kirche im Vordergrund, nicht die Würde des Menschen.
2.
Kirche hat Öffentlichkeitscharakter. Bischof Dr. Manfred Scheuer hat die private Form des Gottesdienstes zurückgewiesen.
Dem ist entgegenzuhalten:
Bei einer Gemeinde kommt es nicht auf die Anzahl der Personen an. „Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). Die Hauskirche ist geradezu das Urmodell von Kirche (vgl. Kardinal Walter Kasper: Das Evangelium von der Familie, S. 45-53).
3.
„Das persönliche Gewissen erlaubt nicht, Kirchengesetze zu übertreten", gibt Bischof Scheuer als eine Begründung an.
Dem ist entgegenzuhalten:
Das Gewissen ist auch in der römisch-katholischen Kirche die oberste subjektive Norm, es muss sich an der objektiven Norm orientieren, aber darf sich ihr nicht blindlings unterwerfen. In der Tradition des Kirchenrechts hat auch ein Bischof die Pflicht zur Gehorsamsverweigerung, wenn ihm sein Gewissen und das Wohl seines Bistums das gebieten (ius remonstrandi). Das Zweite Vatikanische Konzil sagt dazu: „Das Gewissen ist die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in seinem Innersten zu hören ist. Im Gewissen erkennt man in wunderbarer Weise jenes Gesetz, das in der Liebe zu Gott und dem Nächsten seine Erfüllung hat.“ (GS 16).
Bei aller Akzeptanz von Rechtsnormen muss immer wieder gefragt werden: Wer hat diese Gesetze aufgestellt, wem nützen sie und wen schließen sie aus?
Auch muss ein Grundsatz der Moral berücksichtigt werden, die Epikie. „Als E. (griech. Billigkeit) bezeichnet man das Verhalten eines Menschen, der erkennt, daß die Forderung eines Gesetzes den Gegebenheiten seiner Situation nicht entspricht, u. daher nicht das Gesetz befolgt, sondern sich entscheidet, das Situationsrichtige zu tun. (LChM 1976, Sp. 358-362). Letztlich gilt: „Nicht der Buchstabe des Gesetzes, sondern die theologische Wahrheit ist verpflichtend.“ Das macht bei Bedarf „eine Gesetzeskorrektur zur wahren Gerechtigkeit hin“ erforderlich (Prof'in Dr. Sabine Demel).
4.
„Bei der Eucharistiefeier muss in der Person des Priesters aufgrund der Weihe auch die Kirche anwesend bleiben“, argumentiert Bischof Scheuer.
Dem ist entgegenzuhalten:
Das gemeinsame Priestertum geht nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil dem Dienstpriestertum voraus, ist also von ihm her zu verstehen. Kirche ist anwesend, wenn Gemeinde zusammenkommt, nicht durch die Anwesenheit eines Priesters. Das gilt auch für die Eucharistiefeier. Deshalb darf kein Priester ohne eine/n Vertreter/in der Gemeinde Eucharistie feiern.
5.
Im geweihten Priester ist nach dieser Ansicht die Kirche anwesend.
Dem ist entgegenzuhalten:
Jesus ist hiereús (lat. sacerdos), also „heiliger Mann“ als Mittler zwischen Gott und den Menschen.
Nach dem Neuen Testament ist Mittler einzig und allein Jesus, der Christus. Die, die seinen Namen tragen, die Christen und Christinnen, sind hieráteuma (lat. sacerdotium), also „ein heiliges Volk von Priestern, eine königliche Priesterschaft“ (1 Petr 2,5-9).
Der ordinierte, also der „geweihte“ Priester ist presbys, presbyter = Ältester, Gemeindeleiter. Er ist eben nicht Mittler zwischen Gott und den Menschen, denn jeder Christ und jede Christin ist durch die Taufe befähigt, den anderen Menschen Gott zu vermitteln.
Der ordinierte Priester handelt zwar in persona Christi, aber eben letztlich im Auftrag der Gemeinde, die ihn im Notfall auch eigenständig dazu berufen kann. Die Weihe hebt den Priester nicht über die anderen Menschen, sondern stellt ihn in einen besonderen Dienst in der Gemeinde. Diesen Dienst kann im Grunde jede und jeder zugesprochen bekommen, darin sind sich die meisten Theologen heute einig. Die Aufforderung „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (1 Kor 11,25) ist an alle gerichtet. Ein bestimmter Adressat wird nicht erwähnt.
6.
Die Anerkennung der heutigen hierarchischen Verfassung der Kirche wird als unabdingbar für die römisch-katholische Kirche angesehen.
Dem ist entgegenzuhalten:
Kirche hat sich im Lauf der Zeit unterschiedliche Strukturen gegeben.
Wir können heute nicht einfach die urkirchlichen Verhältnisse kopieren, aber wir sind immer gehalten, uns daran zu orientieren, um uns nicht von dem zu entfernen, was Kirche auf den Weg gebracht hat. Von einer Hierarchie, einer heiligen Herrschaft, ist im Neuen Testament nie die Rede, sondern davon: „Einer ist euer Meister, ihr alle seid Brüder und Schwestern“ (Mt 23,8) und „Ich bin unter euch wie einer, der dient“ (Lk 22,27).
Es muss gelten: Was einmal möglich und gültig war – die Feier der Eucharistie ohne ordinierten Priester - kann heute nicht grundsätzlich unmöglich sein. Das gilt auch für die Leitung einer Eucharistiefeier durch eine Frau (vgl. Röm 16, 1.3.6.7.12; Phil 4,2 f.). Paulus sah keinen Grund, gegen das gleichberechtigte Auftreten von Frauen und Männern im Gottesdienst vorzugehen; er regelt lediglich bestimmte Äußerlichkeiten. Dieses Argument – was einmal möglich und gültig war, kann heute nicht grundsätzlich unmöglich sein – gilt heute mehr denn je; denn wir leben in einer Epoche großer Umstrukturierungen, in der viele überlieferte Formen nicht mehr plausibel sind.
Das aggiornamento, das Heutigwerden der Kirche, von dem der Konzilspapst Johannes XXIII. spricht, bedeutet nicht eine Anpassung an den Zeitgeist, sondern heißt, die befreiende Botschaft des Evangeliums vom Reich Gottes in unserer Zeit zu leben.
7.
Es wird davon ausgegangen, dass die Unterscheidung in Klerikerstand und Laienstand die römisch-katholische Kirche ausmacht.
Dem ist entgegenzuhalten:
Nach dem Neuen Testament sind alle Kleriker, also von Gott Erwählte, und alle sind Laien, nämlich Mitglieder des Volkes Gottes. Auf alle kommt in Taufe und Firmung die Geistkraft Gottes, also sind alle Geistliche. Alle sind Gläubige, alle sind die eine Herde des einen guten Hirten, alle sind Brüder und Schwestern.
Daher verlangt nicht nur die Gerechtigkeit, sondern auch das Recht, dass vor dem Gesetz alle gleich sind. Es darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.
Wegen der durch Laien „simulierten Eucharistiefeier“ wurde die Exkommunikation verhängt.
Der sexuelle Übergriff eines Priesters ist nach dem CIC ein gleich schweres Verbrechen. Aber ein deswegen suspendierter Kleriker wird nicht mit Exkommunikation bestraft.
Es wird offenbar mit zweierlei Maß gemessen, weil ein sakralisiertes Kirchenverständnis vorliegt. Gemäß der Rechtssystematik wird Missbrauch nicht geahndet, weil Menschen geschändet werden, sondern weil das Priestersakrament geschändet wird.
8.
Auch in anderen gesellschaftlichen Formen wie Vereinen oder Parteien muss man sich an die Regeln halten und die Ausschlusskriterien anerkennen.
Dem ist entgegenzuhalten:
Kirche ist nicht ein Verein wie jeder andere, sondern Kirche ist eine Glaubensgemeinschaft, in der nicht einfach allein von der Leitung her entschieden werden kann, was dem Glauben entspricht und was nicht. „Wer sind wir, dass wir uns anmaßen dürften, Türen zu schließen, die der Heilige Geist öffnen will?“, fragte Papst Franziskus am 19. Mai 2014 in seiner Frühmesse im Vatikan-Gästehaus Santa Marta. Gott allein sieht ins Herz der Menschen.
9.
Die Exkommunikation ist die schwerste Kirchenstrafe. Exkommunizierte dürfen die Sakramente nicht empfangen.
Dem ist entgegenzuhalten:
Wenn die Kirchenleitung schon meint, in diesem Fall liege ein großes Vergehen vor, dann muss sie sich vor Augen halten: „Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken“ (Mt 9,12). Ein Sakrament ist ein Zeichen der Zuwendung Gottes zu uns Menschen und nicht eine Belohnung für Wohlverhalten.
Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist Dialog das Grundprinzip von Kirche. Dialog geschieht aber auf Augenhöhe und geht nicht davon aus, dass die eine Seite von vornherein Recht hat.
Den Piusbrüdern gegenüber zeigt die römische Kirchenleitung eine größere Geduld. Bei Bischof Williams, sogar von den Piusbrüdern selber suspendiert, bleibt die Exkommunikation aufgehoben.
10.
Die Rechtsnormen der Kirche sind offenbar oberster Maßstab.
Dem ist entgegenzuhalten:
Ecclesia semper reformanda, die Kirche ist immer reformbedürftig. Von den amtlichen Leitern ist in erster Linie systemstabilisierende Beharrung zu erwarten. Vom Alten Bund wissen wir, dass es die Propheten waren, die immer wieder auf den ursprünglichen Willen Gottes hingewiesen haben und deshalb verurteilt und getötet wurden. Prophetisches Denken und Handeln wird auch in der Kirche heute missbilligt und nach Möglichkeit abgestellt.


Exkommunikation ist kein Ausschluss aus der Kirche. Wir sollten also Martha und Gert Heizer nicht wie Ausgeschlossene behandeln. Es besteht kein Grund, Martha den Rücktritt von ihren Aufgaben in der Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche nahelegen. Was ihnen beiden vorgeworfen wird, ist kein Rückschritt (wie z. B. bei den Piusbrüdern), sondern weist auf die Zukunft der Kirche hin, die sich wieder auf ihre Ursprünge besinnt.

Exkommunikation ist eine Aufforderung zum Sinneswandel. Wenn es bei dieser Exkommunikation nur Verlierer gibt, wie Bischof Manfred Scheuer meint, dann müsste sie auch eine Aufforderung zum Sinneswandel bei der Kirchenleitung sein.

Bundesteam der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche (25.5.2014) 

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Stellungnahmen der Pfarrer-Initiative zur Exkommunikation von Martha und Gert Heizer

„Wer sind wir denn, dass wir Türen schließen dürften? In der alten Kirche gab es das Amt des Türöffners - der ließ die Leute eintreten. Aber ein Amt des Türschließers hat es in der Kirche nie gegeben!“
Papst Franziskus, Frühmesse vom 12.05.2014


Wir, die österreichische Pfarrer-Initiative, sind tief betroffen vom Vorgehen der Kirchenleitung gegen Martha und Gert Heizer. Die Exkommunikation wird über zwei Kirchenmitglieder verhängt, die sich seit Jahrzehnten leidenschaftlich und mit großem Engagement um die Reform unserer Kirche bemühen. Dieser Entscheid ist ein fatales Signal an alle, die mit Papst Franziskus auf eine den Menschen nahe, liebevolle Kirche hoffen. Welches Zeichen sendet eine Kirche, die sexuelle Missbrauchstäter in den eigenen Reihen mit geringerer Strafe belegt als Kirchenmitglieder, die durch ihre persönliche Glaubenspraxis zum Ausdruck bringen, wie sehr sie an den Grenzen der geltenden Kirchenordnung leiden?

Martha und Gert Heizer haben mit ihrer Eucharistiefeier ohne Priester einen Schritt gesetzt, über den man gewiss verschiedener Meinung sein und den man als prophetisch und einer Gesamtreform der Kirche förderlich einschätzen kann, oder auch nicht. Für die Pfarrerinitiative gehören Eucharistiefeier und Priesteramt zusammen, solange die Kirche ihren Gemeinden Priester zur Verfügung stellen kann, die das Leben und den Glaubensweg der Menschen teilen. Allerdings nimmt die derzeitige Entwicklung in der Kirche immer mehr Gemeinden die Möglichkeit der sonntäglichen Eucharistiefeier mit einem ordinierten Priester. Insofern legen Martha und Gert Heizer den Finger auf eine Wunde, die in den Gemeinden weltweit immer mehr schmerzt: dass die Eucharistie, die Messe, die zentrale Feier unseres Glaubens und des Lebens als Gemeinde wegen der abnehmenden Zahl an Priestern immer seltener möglich ist. Deshalb setzen sich die Kirchenreformbewegungen seit langem dafür ein, dass das Priesteramt auch für verheiratete Männer und für Frauen geöffnet wird und gemeinsam mit den Kirchenbürgerinnen und -bürgern neue Formen von Gemeindeleitung entwickelt werden.

Die „Ex-Kommunikation“ von Martha und Gert Heizer bedeutet tatsächlich das Aus für Kommunikation im Sinn einer offenen und fairen Auseinandersetzung. Ein solches Vorgehen ist nicht nur grob unverhältnismäßig. Hier zeigt sich das Unvermögen unserer Kirchenleitung, Meinungsunterschiede und Konflikte im Sinne des Evangeliums in Liebe beizulegen. Das ist ein Armutszeugnis.

Wir appellieren daher an die Leitungsverantwortlichen, die Exkommunikation zurückzunehmen und stattdessen in einen ehrlichen und fairen Dialog mit den Kirchenreformbewegten über die Zukunft der Kirche einzutreten.

Die Pfarrer-Initiative
gez. Helmut Schüller, Vorsitzender
Wien, 26. Mai 2014

Quelle: Pfarrer-Initiative.at >>


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Mag. Josef Dirnbeck
Schriftsteller
Geuderstraße 15
90489 Nürnberg
Telefon: 0911/6695731
eMail: <josef.dirnbeck@web.de>
Homepage: http://members.aon.at/dirnbeck






Josef Dirnbeck
Zur Diskussion um die Exkommunikation von Martha Heizer

Als ich im September 1991 in St. Pölten den „Weg der Hoffnung“ ging, bei dem wir gegen Kurt Krenn demonstriert haben, da standen auf dem Gehsteig auch Leute, die eine Art Gegendemonstration versuchten. Es waren Leute vom „Dreizehnten“, die ein Transparent hochhielten, auf dem geschrieben stand: „Hier marschiert die Konzils-Sekte!“ Das war lächerlich und falsch. Denn da marschierte keine Sekte, sondern es waren engagierte und reformbewusste Katholiken aus der Kernschicht des Gottesvolkes unterwegs, die ihre Kirche leidenschaftlich liebten und die ein „Auftreten“ besser fanden als ein „Austreten“.

Ich möchte nicht, dass nun nach 23 Jahren plötzlich wahr wird, was unsere ultrakonservativen Brüder und Schwestern damals behauptet haben. Wenn wir uns ins Out drängen ließen, würden wir tatsächlich ein sektiererisches Grüppchen, das auf schnellstem Weg in die Bedeutungslosigkeit versänke. Es besteht nicht der mindeste vernünftige Grund, der es rechtfertigen könnte, dass sich die Reformbewegung ins Out drängen lassen sollte – geschweige denn, dass sie sich selber mutwillig und ohne Not ins Out manövriert, noch dazu aus einem so nichtigen Anlass und mit einer so unüberlegten Strategie.
Die Frage der Exkommunikation ist längst nicht mehr das Privatproblem des Ehepaars Heizer. Herrn und Frau Heizer persönlich mag es wurscht sein, ob sie exkommuniziert werden oder nicht – aber uns kann und darf es nicht wurscht sein, wenn die Vorsitzende der Plattform „Wir sind Kirche“ davon betroffen ist. Die Konsequenzen der Exkommunikation sind verheerend: Die Reformbewegung ist dadurch nachhaltig beschädigt. Und ich frage: Wer will das? Kein aufrechter Kämpfer für eine bessere Kirche kann so etwas wollen.

Die Position der engagierten kritischen Reformkatholiken kann nicht lauten: Wir verlassen die Gemeinschaft oder lassen uns aus ihr verjagen, bloß weil wir „die Schnauze voll“ haben – weil uns alles viel zu langsam geht und weil wir nach so vielen Frustrationen müde geworden sind, geduldig zu kämpfen. Sondern die Position lautet: Kirchenreform geht nur in Gemeinschaft mit der Kirche. Die Andersdenkenden in der Kirche haben uns zu ertragen und müssen mit uns die Gemeinschaft suchen und finden. Und umgekehrt müssen natürlich auch wir die anderen ertragen und mit denen, die anders denken als wir, die Gemeinschaft suchen und finden.

So ist das schon seit zweitausend Jahren. Das ist das Fundament und das Lebensprinzip der Jesusbewegung. Der Fehler, in eine Sekte abzudriften, ist schon so oft begangen worden, dass man ihn nicht unbedingt sehenden Auges noch ein weiteres Mal begehen muss, um zu erkennen, dass es tatsächlich ein Fehler ist. – Frustriert sein ist schlimm. Aber aufgeben, weil man frustriert ist, wäre noch schlimmer. Als die Menschenfischer trotz redlichen Bemühens nichts zusammengebracht haben, sagt Jesus zu ihnen nicht: „Okay, es bringt nichts – hört halt auf!“ Sondern er sagt: „Werft die Netze aus!“

Gestatten Sie, lieber Herr Dr. Kohlmaier, dass ich auf Ihre Aussendung vom Samstag reagiere und mich zur Causa Heizer zu Wort melde – auch wenn ich in diesem Punkt anders denke (und anderes zu bedenken geben möchte) als Sie. Aber die Lage, in welche die kirchliche Reformbewegung durch die Exkommunikation der Vorsitzenden der Plattform „Wir sind Kirche“ (bzw. richtiger gesagt: durch diese im Moment noch nicht wirksam gewordene und daher prinzipiell noch abwendbare Exkommunikation!) geraten ist, ist so ernst, dass ich nicht schweigen kann. Vor allem finde ich, dass mit größerer Besonnenheit diskutiert und gehandelt werden muss, als dies bisher geschehen ist.

Die Ungeduld, die aus Ihrer Wortwahl herauszuhören ist („...unverzeihliche Dummheit der Kirche…“, die „offensichtlich nicht begreift…“ usw.), ist nur allzu verständlich. Doch Ungeduld oder andere emotionelle Befindlichkeiten dürfen nicht zum leitenden Prinzip der Auseinandersetzung gemacht werden. Im Gegenteil! Gerade jetzt heißt es kühlen Kopf bewahren, mit nüchterner Sachlichkeit urteilen und mit strategischem Kalkül zu Werke gehen.

Als vor einigen Jahren jene Priesterinnenweihe auf dem Donauschiff stattfand, da haben wir gesagt: Jeder Reformkatholik ist selbstverständlich für Frauenordination, aber so nicht; das ist nicht der Weg! – Das Gleiche gilt auch jetzt: Es ist schlicht und einfach naiv, zu erwarten, dass man auf diese Weise etwas für die Kirchenreform erreichen könnte oder gar die Amtskirche „in die Knie zwingen“ wird. Im Gegenteil, man manövriert sich ins Out, und die sturen Böcke der Amtskirche haben ein umso leichteres Spiel. Nicht mit idealistisch-fantastischen Aktionen kämpferischer Utopie bringt man etwas weiter, sondern nur mit dem, was real möglich ist.

Getrieben von der Sorge um die Plattform habe ich gestern (Sonntag, 25. Mai) einen dringlichen Appell an Frau Heizer gemailt, in dem ich sie bitte, die Notbremse zu ziehen und im letzten Moment doch noch einzulenken – weil dies einfach ein Gebot der Klugheit ist. Vor allem, weil die Alternative keine andere wäre als die Zerstörung der Plattform „Wir sind Kirche“ und eine Behinderung weiterer Reformbemühungen. Der Schaden ist ja auch so schon groß genug!

In meinem Schreiben an Frau Dr. Heizer habe ich meine Ansicht begründet. Ich füge den Text hier in vollem Wortlaut an:
- – -

Liebe Frau Dr. Heizer,

ich wende mich in großer Sorge um die Zukunft der Plattform an Sie mit der dringlichen Bitte, unbedingt die Notbremse zu ziehen! Das heißt, dass Sie um Gottes willen im letzten Moment doch noch einlenken, damit die Exkommunikation nicht wirksam wird. Sonst wäre es fatal und absolut kontraproduktiv für die Sache, um die es geht. Das Ergebnis könnte nur sein: Sie wären im Out, und die Plattform wäre im Out. Und wem wäre damit gedient?

Ich erinnere mich an Heinrich Böll, den man, als er wieder einmal heftig die Kirche kritisiert hat, aufgefordert hat: „Treten Sie doch endlich aus der Kirche aus!“ Und Böll hat nur cool erwidert: „Diesen Gefallen tu ich denen nicht!“ Ich finde, Sie sollten ebenfalls sagen: „Den Gefallen, mich von denen exkommunizieren zu lassen, tu ich diesen dummen, sturen und stumpfsinnigen Betonköpfen nicht!“

Kurz und gut, es ist einfach ein Gebot der Klugheit, hier zu sagen: Diesen Schritt gehen wir nicht. Die Klugheit ist immerhin eine Kardinaltugend und theologisch gesehen eine Gabe des Heiligen Geistes. Und die Klugheit sagt: Wir können nur ein „Stachel im Fleisch“ bleiben, wenn wir „im Fleisch“ bleiben.

Glauben Sie mir, ich kann Ihnen und Ihrem Mann vollkommen nachfühlen, wie Ihnen zumute ist. Aber die persönlichen Befindlichkeiten und die Emotionen, so wichtig und gewichtig sie auch sind, dürfen in diesem Fall nicht die entscheidende Rolle spielen (was in diesem Fall ganz wörtlich zu verstehen ist: sie dürfen nicht ausschlaggebend dafür sein, wie Sie sich entscheiden!). Sondern es geht um eine nüchterne strategische Einschätzung. In einem Spiel, in dem sowohl ich als auch die Sache, die ich vertrete, nur verlieren können, darf ich nicht sagen: „Na gut, dann verliere ich halt!“ Sondern ich muss sagen: „Na gut, dann kämpfe ich halt anders weiter!“ Etwas volkstümlicher ausgedrückt: Die Antwort darf nicht lauten: „Scheiß drauf“, sondern: „Ätsch, Burschen, ihr habt euch zu früh gefreut!“

Ich denke, ich muss nicht betonen, dass ich voll und ganz auf Ihrer Seite bin. Wir brauchen überhaupt nicht darüber debattieren, ob Sie im Recht sind oder nicht. Selbstverständlich war es im Sinne Jesu, in dieser Weise zu feiern, wie Sie es getan haben. Und die Liebe zur Kirche ist ebenfalls offenkundig. Wäre der Wunsch nach kirchlicher Gemeinschaft nicht vorhanden, dann gäbe es ja überhaupt kein Motiv, unter allen Umständen Eucharistie feiern zu wollen. Aber wenn die kirchliche Gemeinschaft, deren Ausdruck ja die Eucharistiefeiern sind, an eben diesen Feiern zerbricht oder zu zerbrechen droht, dann gebietet die Klugheit, eine Güterabwägung vorzunehmen und zu sagen: Die Gemeinschaft mit der Kirche ist für uns ein so hohes Gut, dass wir nicht bereit sind, sie preiszugeben, sondern wir stellen dann halt in Gottes Namen lieber etwas anderes zur Disposition, das für uns ebenfalls ein sehr hohes Gut ist.

Und darum eben meine Bitte: Lenken Sie ein! Tun Sie es (und mit wie viel Zähneknirschen und Ingrimm Sie es tun, geht ja niemand was an). Nur die überlegene Klugheit, mit der Sie es tun, wird das sein, was am Ende zählt.

Die Argumente, die Sie bisher in der Öffentlichkeit dafür angeführt haben, weshalb Sie nicht einlenken wollen, sind ehrenhafte und sinnvolle Argumente. Aber die Argumente, die Sie anführen können, weshalb Sie (nach reiflichem Nachdenken, Meditation und Gebet etc.) nun doch zum Entschluss gekommen sind, einzulenken, sind nicht minder ehrenhaft und sinnvoll.

Ich glaube, die Bibel bietet uns genug Beispiele, dass Umdenken und Einlenken glaubwürdige und beeindruckende Wege sind, den Glauben an die Frohbotschaft Jesu zu realisieren.
Mit besten Grüßen Josef Dirnbeck

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Die Begründung von Herrn Dirnbeck ist unlogisch: Er meint einerseits, das Feiern der privaten Eucharistiefeier sei richtig, andererseits will er nicht dazustehen.
Nach dieser Logik hätte der Mann aus Nazareth seinen Gegnern sagen müssen: Ich habe zwar recht, aber von euch Holzköpfen lasse ich mich nicht kleinkriegen und ans Kreuz schlagen. „Ätsch, Burschen, ihr habt euch zu früh gefreut!"