Dienstag, 14. Dezember 2010

Neuevangelisierung?

Gastbeitrag von DI Gregor Görtler:

Neuevangelisierung?

Die Fakten liegen auf dem Tisch. Wenn die katholische Amtskirche so weitermacht wie in den letzten zwanzig Jahren, dann wird in den nächsten zwanzig Jahren nur mehr das Amt übrigbleiben, während die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen aufhört zu existieren. Am Ende des Weges steht eine Randgruppe einiger Weniger, in welcher Form auch immer. Welche Ursachen bedingen die geradezu panische Flucht der Menschen vor der Kirche in der heutigen Zeit?

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass die Marginalisierung der Institution Kirche nicht mit der Unempfänglichkeit der heutigen Gesellschaft für die Frohe Botschaft zu erklären ist. Allerorts wird zum Beispiel die Einstellung der Jugendlichen kritisiert, doch schon Sokrates klagte mehr als 400 Jahre vor Christus „Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer“. Im Zusammenhang mit den Jugendlichen gibt es also wenig Neues.

Auch der Verfall der Moral wird häufig angesprochen und als Ursache für eine grundsätzlich kirchenferne Einstellung herangezogen. Im selben Atemzug beschwört man den Zusammenhalt und die Gläubigkeit der Eltern und Großelterngeneration. Ich möchte jedoch daran erinnern, dass gerade diese Generation am furchtbarsten und menschenverachtendsten Krieg der Geschichte, dem 2. Weltkrieg, beteiligt war. Selbstverständlich erhebe ich keine Pauschalvorwürfe, dennoch soll gerade dieses Beispiel aufzeigen, dass jede Generation ihre Licht- und Schattenseiten mit sich bringt.

Nein, diese Generation ist nicht schlechter oder besser als andere Generation, sie hat ihre eigenen Probleme und sehnt sich um nichts weniger nach einer Botschaft, die Ihr Sinn und Halt im Leben gibt, als andere Generationen. Und wie jede Generation, möchten die Menschen in einer Sprache angesprochen werden, die sie auch verstehen.

Für mich ist es immer wieder erstaunlich, wie die katholische Kirche es zuwege bringt, die wunderbare, mitreißende Botschaft des Neuen Testaments so hinter Floskeln, Riten und Zeremonien zu verhüllen, dass sie ein Großteil der Menschen nicht versteht und daher auch gar nicht annehmen kann. Speziell die Ereignisse der jüngsten Zeit im Burgenland zeigen mit geradezu erschreckender Deutlichkeit wie weit sich die Kirchenoberen und somit die Amtskirche selbst vom Volk entfernt haben.

Wie kann sich ein Hirtenbrief, der bei den Gläubigen viel bewirken könnte, so um brennende Fragen drücken? Wie kann ein Bischof, der Nächstenliebe predigt, einen Mitarbeiter kurzerhand entlassen und noch dazu delogieren? Wie kann eine Kirche, die Armut und Bescheidenheit predigt, eine solch pompöse Bischofsernennung mit rauschenden Gewändern und prächtigen Utensilien inszenieren? Wer soll so etwas verstehen?

Ich versuche mit vielen Menschen ins Gespräch zu kommen, darunter sind Religionslehrer, Atheisten, Akademiker, Pensionisten, Priester und noch viele Andere. Die Meinungen über die Ereignisse schwanken zwischen Gleichgültigkeit, Frustration, Zorn und Resignation. Wie auch in den Medien, so findet man in persönlichen Gesprächen nahezu keine Andeutungen einer positiven Entwicklung oder Stimmung. Praktisch niemand erkennt einen Zusammenhang zwischen dem Evangelium und den jüngsten Vorgängen in der Amtskirche, gleichgültig ob er kirchennah, kirchenfern oder gar von Berufs wegen mit der Kirche zu tun hat. Der Grundtenor, der sich durch alle Gespräche zieht, ist das Unverständnis über die bereits hinlänglich bekannten Ereignisse.

Die Zustände zu kritisieren ist wohl einfach, wo aber liegt die Lösung? Ich denke, die Lösung liegt einerseits darin, die Menschen in einer Sprache anzusprechen, die sie auch verstehen und andererseits darin das Evangelium nicht nur zu predigen sondern vor allem zu leben. Dieser Lösungsvorschlag klingt recht einfach, vielleicht sogar naiv, doch ist er lediglich so einfach wie die Frohe Botschaft selbst. All das Gerede über das Kirchenrecht, die Dogmen, die Kirchenhierarchie oder die richtige Form der Liturgie verstellen uns nur allzu oft den Blick auf das mitreißende Leben und Wirken Jesu.

Noch hat die katholische Kirche, vielleicht, die Wahl. Sie wird entweder weiter auf den Abgrund zusteuern oder umkehren und sich wieder den Menschen zuwenden. Die häufig geforderte Neuevangelisierung ist nicht nur für die Menschen wichtig, sondern vor allem für die Kirche und deren Entscheidungsträger selbst der längst notwendige Schritt.

1 Kommentar:

Schillebeeckx hat gesagt…

Wenn sich jene, die in der römisch-katholischen Kirche die Macht haben, viel mehr am Buchstaben und vor allem am Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils orientieren würden, dann würde vieles anders bzw. besser aussehen.

Und um es mit den Worten von Bischof Ägidius zu sagen: "mutig vorwärts" - wir vermissen es leider weitgehend. Dann könnte es auch "gläubig aufwärts" gehen. Wenn es so weiter geht wie bisher oder noch schlimmer wird, dann könnte es eines Tages "ungläubig abwärts" heißen ...