Ein ungewöhnliches Bild in der vatikanischen Audienzhalle: Zum ersten Welttag der Armen hat Franziskus am Sonntag etwa 1.500 Bedürftige zu einer Armenspeisung eingeladen. Sie fand im Anschluss an seine Messe im Petersdom statt; der Papst nahm selbst an ihr teil.
Auch in vielen anderen kirchlichen Einrichtungen und Mensen in Rom fanden ähnliche Armenspeisungen statt. Insgesamt wurden auf diese Weise etwa 4.000 Menschen verköstigt. Franziskus hat ähnliche Armenspeisungen schon mehrfach durchgeführt, zuletzt in diesem Herbst bei einem Besuch im norditalienischen Bologna in der Basilika San Petronio.
Papstpredigt am Welttag der Armen
„Wir sind alle Bettler“
[...]
In der Tat, als liebevoller und anspruchsvoller Vater, der er ist, überträgt er uns eine Verantwortung. Im Gleichnis sehen wir, dass jedem Diener Talente anvertraut werden, damit er sie vervielfache. Aber während die ersten beiden diesem Auftrag nachkommen, macht der dritte Diener seine Talente nicht fruchtbar; er gibt nur das zurück, was er erhalten hatte: »Weil ich Angst hatte«, sagte er, »habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Sieh her, hier hast du das Deine« (Mt25, 25). Dieser Diener erntet dafür das harte Urteil, schlecht und faul zu sein (vgl. V. 26). Was aber hat dem Herrn an ihm nicht gefallen? Mit einem Wort, das heute etwas aus der Mode gekommen, aber doch sehr aktuell ist, würde ich sagen: die Unterlassung. Das Schlechte an ihm war, dass er das Gute nicht getan hat. Auch wir meinen oft, wir hätten nichts Schlechtes getan, und geben uns damit zufrieden. Wir meinen, wir seien gut und gerecht. So aber laufen wir Gefahr, uns wie der schlechte Diener zu verhalten: Auch er hat nichts Böses getan, er hat das Talent nicht verloren, er hat es sogar gut bewahrt unter der Erde. Aber es reicht eben nicht aus, nichts Böses zu tun. Denn Gott ist kein Kontrolleur, der nach nicht abgestempelten Fahrkarten fahndet, sondern er ist ein Vater auf der Suche nach Kindern, denen er seine Güter und seine Pläne anvertrauen kann (vgl. V. 14). Und es ist traurig, wenn der liebevolle Vater keine großzügige Antwort der Liebe von seinen Kindern erhält, und diese sich allein darauf beschränken, die Regeln zu respektieren und die Gebote zu erfüllen wie die bezahlten Knechte im Haus des Vaters (vgl. Lk 15,17).
Der schlechte Diener hat das Talent eifersüchtig bei sich behalten und sich damit zufriedengegeben, es aufzubewahren, obwohl sein Herr, von dem er es empfangen hat, es liebt, die Gaben zu teilen und zu vervielfältigen. Aber wer sich nur darum sorgt, etwas zu verwahren und die Schätze der Vergangenheit zu erhalten, der ist Gott nicht treu. Das Gleichnis sagt uns vielmehr, dass derjenige wirklich »treu« (VV. 21.23) ist, der neue Talente hinzugewinnt, weil er die gleiche Mentalität hat wie Gott und nicht unbeweglich bleibt: Er riskiert etwas um der Liebe willen, er setzt sein Leben aufs Spiel für andere, er gibt sich nicht damit zufrieden, alles so zu belassen, wie es ist. Nur eines unterlässt er: den Eigennutz. Das ist die einzig rechtmäßige Unterlassung.
Das Unterlassen ist auch die große Sünde gegenüber den Armen. In diesem Fall nennt man sie Gleichgültigkeit. Sie besteht darin zu sagen: „Das betrifft mich nicht, das geht mich nichts an, da ist die Gesellschaft schuld“. Sie besteht darin, sich abzuwenden, wenn der Bruder in Not ist, sie besteht darin, das Fernsehprogramm zu wechseln, sobald ein ernstes Thema uns belästigt, oder auch darin, sich über das Schlechte zu entrüsten ohne etwas dagegen zu tun. Gott aber wird uns einmal nicht fragen, ob wir zurecht entrüstet waren, sondern danach, ob wir Gutes getan haben.
Die ganze Papst-Predigt auf Radio Vatikan >>
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