Donnerstag, 14. August 2014

Brandbrief vor der Wahl des neuen Erzbischofs für Hamburg

Ein Brandbrief aus Kellinghusen ans Erzbistum
Vor der Wahl eines neuen katholischen Erzbischofs für Hamburg fordert ein Geistlicher im Ruhestand Reformen. Der Kellinghusener wendet sich mit einer Liste von Kritikpunkten an die Öffentlichkeit.

Drei Kandidaten für die Nachfolge des katholischen Erzbischofs Werner Thissen hat das Hamburger Domkapitel Papst Franziskus unterbreitet. Nichtöffentlich. „Doch welche Erwartungen es an den neuen Amtsinhaber stellt, hat das Domkapitel nicht geäußert“, bemängelt Wolfgang Kroker, Pastor im Ruhestand aus Kellinghusen (Kreis Steinburg). „Weil sich sonst keiner traut zu sagen, was die Katholiken im Norden wirklich wollen“ geht der 77-jährige Geistliche in die Offensive. In einer Art Brandbrief an Zeitungsredaktionen in Norddeutschland listet Kroker Kritikpunkte auf, von denen er meint, „dass sie eine breite Meinungsbasis in der katholischen Kirche haben“. Auch wenn ganz große Fragen wie Zölibat oder Frauen als Priester darin ausgespart bleiben – die schonungslose Analyse eines Insiders formuliert auch so reichlich Reformbedarf.

Nicht zuletzt gilt das für das Verhältnis zur protestantischen Nordkirche. „In der Ökumene ist überwiegend Stillstand zu beobachten“, kritisiert Kroker. „Von der Ökumenekommission des Erzbistums ist wenig zu hören.“ Der Kellinghusener ruft auf zu „verantwortungsvollen Gesprächen zu strittigen Themen“ wie etwa der Frage eines gemeinsamen Abendmahls von Katholiken und Protestanten. Die „großen Gesten“ der Kirchentage beider Konfessionen würden „nicht beachtet“. Verbitterung schwingt mit, wenn Kroker davon berichtet, dass zu seiner aktiven Zeit Vorgesetzte im Erzbistum eine Absprache mit der evangelisch-lutherischen Kirche stoppten, deren Gotteshaus mitzubenutzen. Die katholische Kirche in Kellinghusen war zuvor wegen Baufälligkeit abgerissen worden.

Dass die Wege für die Gläubigen durch die Umgestaltung von Pfarreien zu großgeschnittenen „pastoralen Räumen“ derzeit wesentlich weiter werden, mag Kroker nicht hinnehmen. Beispiel Pfarrei Itzehoe: Deren 7500 Gemeindeglieder verteilen sich auf 1100 Quadratkilometer – eine Fläche vergleichbar derjenigen Berlins. „Die pastoralen Räume sind keine Seelsorgerräume, sondern Verwaltungsräume. Wer da von seinem Pfarrer etwas will, muss sich schon sehr lautstark rühren“, prangert Kroker an.

Ein Zuviel wiederum beklagt er bei der Zahl der Räte im Erzbistum: „Je mehr wir davon haben, desto weniger passiert“, ist seine Erfahrung – weil jeder Rat nur darauf gucke, was der andere treibe. Ob Priesterrat, Diözesanpastoralrat oder Kirchensteuerrat – überall bemängelt der umtriebige Pastor aus dem Kreis Steinburg eine fehlende Diskussionskultur. „Über Jahre ist es im Diözesanpastoralrat des Erzbistums nie zu einer ernsthaften inhaltlichen Diskussion gekommen“, stellt Kroker fest. „Es kann nicht angehen, dass über einige Fragen des Kirchenrechts nicht in den Gremien strittig diskutiert werden darf“, schreibt er. Das betreffe etwa die Zulassung von Frauen zum Diakonat. Um die Zurückhaltung zu ändern, bedarf es Krokers Ansicht nach in den genannten Räten stärkerer Mitsprache- und Entscheidungsmöglichkeiten für Priester und Laien.

Stellvertretend für viele von der Basis äußert Kroker den Wunsch: Der neue Erzbischof möge das Gespräch mit der „großen Anzahl von Priestern im Erzbistum Hamburg suchen, die aus ihrem Amt wegen Heirat ausgeschieden wurden“. Mit der Eheschließung hätten die Betroffenen schließlich weder die Kirche noch den Glauben verloren.
Flensburger Tageblatt >>

Ergänzung:

Kellinghusen gehört zur katholischen Pfarrei St. Ansgar Itzehoe
Die Diasporapfarrei liegt im Süd-Westen Schleswig-Holsteins. Sie erstreckt sich von West (Trischen) nach Ost (Wrist) ca. 70 km weit, von Süd (Glückstadt) bis Nord (Süderhastedt) ca. 30 km weit - ein Fläche, größer als Berlin. Die Pfarrei entstand aus ehemals fünf selbstständigen Pfarreien, die heute als Gemeinden weiter existieren.

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