Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich diesen Brief schreiben soll, ob ich dazu überhaupt berechtigt bin. Ich bin nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss gekommen, dass ich den Brief schreiben muss.
Ich lege meine Gedanken darin offen - in der Hoffnung, damit doch noch ein Umdenken herbeizuführen und die Erzdiözese Wien – und damit einen wesentlichen Teil der Kirche von Österreich vor einem irreversiblen Schaden zu bewahren.
Gerade als Offizier sind mir hierarchisches Denken und die Frage des Gehorsams durchaus geläufig. Ich kenne die Pflichten, aber auch die Rechte (sic!), die sich daraus ergeben. Ich lehne aber jede Form von Kadavergehorsam ab. Gehorsam ist keine Einbahnstraße, sie setzt GEGENSEITIGES Vertrauen voraus – dieses ist zurzeit einfach nicht gegeben.
Ich will durch Schweigen jedenfalls nicht mitschuldig werden an dem, das sich seit langer Zeit in der Erzdiözese abspielt.
Den folgenden Text habe ich in etwas abgewandelter und persönlicher Form an den Erzbischof von Wien gesandt. Wider Erwarten habe ich von ihm auch eine handgeschriebene Antwort erhalten. In dieser geht +Schönborn aber nicht auf den Inhalt ein. Vielmehr meinte er, dass „Dialog anders aussehe“ und „dass wer alles (so wie ich) schon weiß, keinen Dialog, keine Differenzierung brauche“.
+Schönborn vermisst bei mir auch „Selbstzweifel“ oder „Fragen, ob vielleicht auch eine andere Sicht möglich sein könnte“.
Das trifft mich sehr. Seit elf Jahren habe ich in meiner offiziellen kirchlichen Funktion im Rahmen der Bischofskonferenz +Schönborn unzählige Male um einen Termin für ein Gespräch ersucht. Immer wieder wurde mir erklärt, dass dafür keine Zeit vorhanden sei. In den meisten Fällen gab es gar keine Reaktion. Nun habe ich es auf dem persönlichen Weg versucht. Durch die pointierte Darstellung der Situation erhoffte ich, mit +Schönborn ins Gespräch zu kommen. Ich habe erwartet, endlich etwas von der „anderen Sicht der Dinge“ zu erfahren. Nur so kann man gegenseitiges Verständnis erreichen. Stattdessen musste ich mir, in Umkehr der Dinge, vorwerfen lassen, nicht dialogbereit zu sein. Letzteres lässt den Verdacht zu, dass +Schönborn meinen Brief gar nicht (bis zum Schluss) gelesen hat. Denn hier hätte er ja meine Bereitschaft zum und meine Bitte um diesen Dialog gefunden.
WER SCHWEIGT, STIMMT ZU. Ich weiß, dass mir viele zustimmen, aber nicht die Gabe haben, so einen Brief in letzter Konsequenz zu schreiben. Ich möchte mich daher auch zu ihrem Sprachrohr machen.
In herzlicher und tiefer Verbundenheit mit allen jenen Frauen und Männern, die diese (wie ich meine berechtigten) Sorgen teilen
Rolf M. Urrisk
Offener Brief zur Lage der Kirche der Erzdiözese Wien:
„Wenn wir schweigen, werden die Steine schreien“ (Lk. 19/40) >>
Siehe auch Beitrag von Mag. Urrisk vom 30.1.2014 im Blog-Archiv:
Ad limina – Welches Bild der Kirche von Österreich wird hier vermittelt?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen