Dienstag, 7. Februar 2012

Pfarrer-Initiative: Protest für eine glaubwürdige Kirche

Quelle: Pfarrer-Initiative

Seit dem „Aufruf zum Ungehorsam“, in dem wir uns dazu bekennen, künftig in eigener Verantwortung Zeichen der Erneuerung unserer Kirche zu setzen, kam von vielen Seiten aus dem In- und Ausland Zustimmung und Ermutigung – von bischöflicher Seite jedoch vorwiegend Zurückhaltung, bisweilen auch heftige Ablehnung. Zu einem Dialog kam es nur selten und abseits der Öffentlichkeit. Wir aber setzen dem gegenwärtigen Aushungern der Gemeinden und der Seelsorge unter dem Druck des Priestermangels und der Überalterung des Klerus mehrfach ein entschiedenes NEIN entgegen:

1          Wir sagen NEIN, wenn wir zusätzlich immer weitere Pfarren übernehmen sollen, weil uns das zu reisenden Zelebranten und Sakramentenspendern macht, denen die eigentliche Seelsorge entgleitet. Wir widerstehen damit dem Trend, an vielen Orten flüchtig anwesend zu sein, aber keine spirituelle und emotionale Heimat zu finden und anzubieten.

2          Wir sagen NEIN zu immer mehr Eucharistiefeiern am Wochenende, weil so die vielen Dienste und Predigten zu oberflächlichem Ritual und allzu routinierter Rede werden, während Begegnung, Gespräch und Seelsorge verkümmern. Kurz vor der Messe anzukommen und gleich danach weiterzufahren, macht unseren Dienst zur hohlen Routine.

3          Wir sagen NEIN zur Zusammenlegung oder Auflösung der Pfarren, wenn sich keine Pfarrer mehr finden. Hier wird der Mangel zum Gesetzgeber erhoben, statt dem Mangel durch die Änderung unbiblischer Kirchengesetze abzuhelfen. Das Gesetz ist für den Menschen da – und nicht umgekehrt. Gerade das Kirchenrecht hat den Menschen zu dienen.

4          Wir sagen NEIN zur Überforderung der Pfarrer, die man in einen mehrfachen Pflichterfüllungsstress drängt, deren Zeit und Kraft für ein geistliches Leben wegadministriert wird und deren Dienste weit über das Pensionsalter hinaus beansprucht werden. So kann sogar das früher verdienstvolle Wirken durch allzu lange Beanspruchung beschädigt werden.

5          Wir sagen NEIN, wenn das Kirchenrecht ein allzu hartes und unbarmherziges Urteil spricht: über Geschiedene, die eine neue Ehe wagen, über gleichgeschlechtlich Liebende, die in Partnerschaft leben, über Priester, die am Zölibat scheitern und deshalb eine Beziehung eingehen – und über die Vielen, die ihrem Gewissen mehr gehorchen als einem von Menschen gemachten Gesetz.

Weil Schweigen als Zustimmung verstanden wird und wir unsere Verantwortung als Priester und Seelsorger wahrnehmen wollen, müssen wir diesen fünffachen Protest aussprechen. Er ist ein „Pro-test“ im wörtlichen Sinn: ein „Zeugnis für“ eine Kirchenreform, für die Menschen, deren Seelsorger wir sein wollen, und für unsere Kirche.  Die Freudlosigkeit des heutigen Kirchenbetriebs ist kein gutes Zeugnis für die „frohe Botschaft“, die uns bewegt. Denn wir wollen „nicht über den Glauben herrschen, sondern der Freude dienen“(2 Kor 1,24).


Audio-Hinweis:
Helmut Schüller im Ö1 Mittagsjournal am 3. Februar 2012

Kommentare:
Pfarrer-Initiative: „Fünffaches Nein“ zu Pfarrzusammenlegungen

Theologe Tück: Pfarrerinitiative bleibt "zu defizitorientiert"Wiener Dogmatiker in Stellungnahme zu neuerlichem Protestkatalog der Pfarrerinitiative: Warum wird nicht stärker auf potenzielle Ressourcen z.B. der Laien hingewiesen? - Aber: Bischöfe sollten "Ruf nicht einfach übergehen" - Schüller veröffentlicht fünffaches Nein dagegen, pastoralen "Mangel zum Gesetzgeber zu erheben"

9 Kommentare:

Peter hat gesagt…

"… macht uns das zu reisenden Zelebranten und Sakramentenspendern, denen die eigentliche Seelsorge entgleitet." - Was ist die "eigentliche Seelsorge"? Wenn Sakramentespenden nach dieser Aussage nicht dazu gehört, wozu sollen dann auch noch Laien das Uneigentliche tun und z.B. der Eucharistiefeier vorstehen? Schüllers Gedankengebäude stürzen in sich zusammen. Ironisch könnte man fragen: Will er uns Laien jetzt abwerten und auch uns zu bloßen Zelebranten und Sakramentespendern machen? - Den Menschen zuhören, wenn sie über ihre Leiden und Probleme sprechen, ihnen zur Seite stehen, das können wir auch jetzt tun, ohne Ermunterung durch "ihrem Gewissen gehorsame Priester".
Für Schüller persönlich besteht die eigentliche Seelsorge wohl in seinen Auftritten im ORF, der ihm gutwillig seine Kanzel anbietet (wohl auch in rührender Sorge um die Kirche).

Markus Ankerl hat gesagt…

einzelne Zitate herauszureißen und mit voller Absicht miss zu verstehen, erachte ich als unredlich; Pfarrer Schüller ist über das Pfarramt in Probstdorf erreichbar - fragen Sie ihn doch selbst welchen Stellenwert die Sakramente in seiner Seelsorge haben; in meinem Bekanntenpreis gibt es einige Priester, die in den letzten Jahren eine Pfarre nach der anderen zusätzlich betreuen mussten und die darunter leiden, dass für die Begleitung der Menschen auch außerhalb der Liturgie immer weniger Zeit bleibt;
lesen Sie doch einfach das Posting von Julius Grabner vom vorigen Sonntag und denken Sie dann über Ihr Posting nach...

Peter hat gesagt…

Auch unter Punkt 2 die durch mehrere Eucharistiefeiern "verkümmerte Seelsorge". - "Oberflächliches Ritual, hohle Routine,…" Das mag bei Schüller und den anderen Protestierern so sein, da sie es selber behaupten. Aber man darf nicht von sich auf andere schließen. Ich kenne viele Priester, wo das nicht der Fall ist. Sie sagen: Bei jeder weiteren Messe sind jeweils andere Menschen, andere Bedürfnisse da, und vor allem wird Gott nicht zur Routine. Er bietet immer Neues an. Und manches wird trotz guter Vorbereitung erst bei der dritten Messe klar… Und dann gewinnen auch die Gespräche mit den Mitmenschen an Tiefe. - sagen sie. Was mich persönlich betrifft: Wenn ich bete, ist sicher manches auch nur Routine. Aber DAS LIEGT AN MIR UND NICHT AM (längeren) BETEN AN SICH.

Anonym hat gesagt…

@Peter Bist du auch aktiv in einer Pfarre beheimatet oder hörst du dich nur herum? Denn du schreibst: die Protestierer behaupten (bei mehreren Messen wird es zur Routine...) - andere Priester hingegen sagen (ich brauche mehrere...) und ich bete (auch nur aus Routine...)

Respektiere doch bitte die VIELEN PRIESTER, die unter der derzeitigen Situation leiden - und die eben Angst haben vor einer Routinehandlung.

Markus Ankerl hat gesagt…

Bevor Sie hier interpretatorische Fehlleistungen zum Besten geben, empfehle ich Ihnen wirklich Kontakt mit Pfarrer Schüller auf zu nehmen:
Tel.: ++43 2215/22 02
E-Mail: pfarre.probstdorf@aon.at
Neuevangelisierung ohne Zeit und Energie für Kontakte mit Praktizierenden und Fernstehenden außerhalb der Gottesdienstzeiten wird auf lange Sicht keinen Erfolg haben.
Gestatten Sie mir ein wenig Sarkasmus unter Anführungszeichen und eher besorgt als böse gemeint:"Willkommen in der Stahlhelmkirche, Batallion: Kleine Herde, Kompanie: Hände falten, Goschen halten".
Wir müssen nicht nur offen bleiben sondern auch auf die Menschen zugehen - porta patet sed cor magis

Peter hat gesagt…

@ Markus Ankerl: Zitat: "interpretatorische Fehlleistung" - In die Magna Carta der entschiedenen NEIN-Sager muss man nichts hineininterpretieren, ich habe mich nur auf eindeutige Worte bezogen. --
"Mangel an Zeit und Energie": Wie kommt es also, dass manche (nach eigener Aussage: Durchschnittspfarrer) die jetzige Situation bewältigen - sogar mit spirituellem Gewinn für sich und ihre Pfarre? Vielleicht deshalb, weil sie die Ursache (Schuld) für die Situation eben nicht bei anderen suchen, die angeblich z.B. (Zitat:) geistliches Leben wegadministrieren (oder habe ich wieder hineininterpretiert?). Damit wollte ich einen Ausgleich schaffen zu den pauschalierenden Behauptungen von Schüller und Co. ("Aushungern DER Gemeinden und Seelsorge,…").
Darf ich nun meinerseits "eher besorgt als böse gemeint" behaupten, dass die "Stahlhelmkirche" eher Sie einführen wollen, weil halt nur Sie und Ihre Sympathisanten das Sagen haben dürfen. Ein Einwand wird moralisierend als "unredlich" (s.o.) disqualifiziert oder ohne Begründung als "Fehlleistung" apostrophiert, Gegenmeinungen werden nur "zum Besten gegeben"…
Also müssen wir - wie sagten Sie? - die Goschen halten. - Die Protestierer bedauern, dass sie aus Zeitmangel nicht "Hände falten" können. Nach Ihrer Aussage ist das Händefalten aber verpönt. -- Pfarrer Schüller braucht man nicht persönlich zu kontaktieren. Er gibt uns via Medien genug Gelegenheit, über seine Ansichten zu staunen. Wenn er etwas anders meint, muss er es anders sagen.

@Anonym:
Zu 1: Ja, ich bin engagiert, mit Sicherheit aber noch viel zu wenig.
Zu 2: Ich respektiere die leidenden Priester, und gerade darum befasse ich mich mit ihnen und ihrer Situation. --
Aber ich habe auch Mitleid mit denen, die - wie ich meine und nachzuweisen versuche - in extremer Weise kritisiert werden.
Dass sich bei mir Routine einschleicht, liegt aber an mir. Ich schiebe nicht den anderen den schwarzen Peter zu, ich bin selber der schwarze Peter. :)

Markus Ankerl hat gesagt…

Also dass Sie sich unfähig dafür halten mit Pfarrer Schüller in Dialog zu treten ist erfrischend ehrlich;
Namen und Kontaktdaten von Priestern, die Pfarrverbände von 5 Pfarren zu betreuen als spirituellen Gewinn für die Pfarren sehen, würden mich sehr interessieren;
für pauschalierende Behauptungen liefern Sie eigentlich die besten Beispiele selbst: "manche Priester", "Schüller und Co", uvm

Peter hat gesagt…

Die Kontaktdaten der besagten Priester gebe ich nach Rücksprache mit ihnen bekannt, wenn Sie Ihre Wohnadresse angeben. --- Andererseits wenn jemand behauptet, "MANCHE Priester" sei eine Verallgemeinerung, oder "man braucht nicht" sei dasselbe wie "ich bin nicht fähig", mit dem kann man erst weiter reden, wenn er ausreichend Deutsch gelernt hat.

Peter hat gesagt…

Forderung unter Pkt. 3: "Nein zur Zusammenlegung der Pfarren" - (Die fortschrittlichen Pfarrer werden doch nicht konservativ an Altem, das sich überlebt hat, festhalten wollen!)
In drei zusammengelegten Pfarren sind heute meistens weniger Kirchgänger als früher in einer einzigen Pfarre, und überhaupt auch weniger anderer Menschen, die sich von einem Pfarrer betreuen lassen wollen (wie man aus Gesprächen und den Stellungnahmen in diversen Internet-Foren schließen kann).