Welche Fragen der nächste Papst angehen muss, erklärt der Wiener Theologe Paul Michael Zulehner im OÖN-Interview >>.
OÖNachrichten: Benedikt XVI. hat ein vorgezogenes Konklave ermöglicht. Doch manche Kardinäle sagen, sie wollen sich Zeit lassen. Was bedeutet das?
Zulehner: Es wurden Befürchtungen geäußert, ein schnelles Konklave würde auf Abmachungen hindeuten, wonach bestimmte Gruppen ihren Kandidaten möglichst rasch gewählt haben wollen. Benedikt XVI. überlässt es den Kardinälen: Sie müssen sich entscheiden, ob sie sich Zeit lassen oder es kleineren Gruppen gestatten, über das Tempo zu einem unerwünschten Erfolg zu kommen. Ich vermute, das Konklave beginnt nicht vor nächstem Montag.
OÖNachrichten: Die Kardinäle sollen intensiv die Lage der Kirche besprechen?
Zulehner: Es stehen viele Fragen an: Was braucht Asien? Einen Papst, der fähig ist für den Dialog zwischen Christentum und Buddhismus. Was braucht Afrika? Einen Papst, der zum Dialog mit dem Islam fähig ist, und jemanden, der in der Aids-Frage Wege unterstützt, die pastoral vor Ort schon gegangen werden. In Lateinamerika braucht es eine Auseinandersetzung mit der charismatischen Pfingstbewegung und nach wie vor mit der Armutsfrage. Europa als „Altersheim der Weltkirche“ ist ein Sonderfall: Hier muss die Kirche sagen, wie sie einen modernen Menschen, der frei wählen kann, für das Evangelium gewinnen kann. Außerdem muss der Vatikan zu einer modernen Organisation umgebaut werden. Der jetzige Zustand ist desaströs.
OÖN-Interview >>
Vor dem Konklave
Gianluigi Nuzzi: "Die Angst vor der Wahrheit ist riesig"
Am Dienstag (12.3.) beginnt in Rom das Konklave. In den Gesprächen der Kardinäle war die Reform der Kurie Thema. Der Journalist Gianluigi Nuzzi veröffentlichte die Dokumente, die der Kammerdiener des Papstes, Paolo Gabriele, Benedikt XVI. gestohlen hatte.
Sie haben den "Vatileaks"-Skandal ausgelöst. Es ging um Korruption, Missmanagement, Günstlingswirtschaft.
Wie muss man sich die Verhältnisse in der Kurie vorstellen?
Gianluigi Nuzzi: Es gibt verschiedene Machtgruppen und Interessen, die sich teilweise bekämpfen, aber auch überlagern. Man sollte meinen, solche Machtspiele hätten in der Kirche nichts verloren. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es gibt großen Ehrgeiz, Karrieristen, Verschwörungen, krumme Geschäfte und Korruption. Zuletzt war auch noch von einer Homosexuellen-Lobby die Rede.
Sind solche Gerüchte ernst zu nehmen?
Nuzzi: Durchaus, homosexuelle Beziehungen sind im kirchlichen Milieu ein Element, das Abhängigkeiten und Erpressungen begünstigen kann. In der Kurie wird das übrigens alles sehr relativ gesehen.
Was meinen Sie damit?
Nuzzi: Paolo Gabriele, der ehemalige Kammerdiener Benedikts XVI., erzählte mir von einem Kardinal und sagte über ihn, der hätte "das Laster". Ich fragte ihn, was er denn damit meine. Paolo sagte, der Kardinal habe sexuelles Interesse an Kindern. Das klang so, als ob dieses "Laster" in der Kurie weit verbreitet sei. Paolo sprach darüber in einem Ton, als ob das nichts Besonderes sei, sondern durchaus vorkomme. Das macht schon sehr nachdenklich.
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"Alle stecken in diesem Sumpf"
Gianluigi Nuzzi über Machtgruppen, dunkle Geschäfte und die panische Angst des Vatikans vor der Wahrheit
Weiteres Interview mit Gianluigi Nuzzi in der Wiener Zeitung >>
Die Papstwahl aus Sicht des austro-brasilianischen Bischofs Erwin Kräutler
“Viele heiße Eisen sind anzufassen”
Der neue Papst sollte die Fähigkeit zum Dialog und zum Dezentralisieren besitzen.
Interview in der Wiener Zeitung >>
Bischof Kräutler: Neuer Papst braucht Mut für frische Luft
Österreichisch-brasilianischer Bischof und Träger des alternativen Nobelpreises will “weltoffenen Seelsorger mit Empathie für Arme und Bedrängte”
Kathpress >>
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