Freitag, 6. Juni 2014

Mein Papi ist Priester

Auch Geistliche sind nicht vor der Fleischeslust gefeit. Was passiert, wenn Priester Kinder zeugen? Südtirols Moraltheologen sind sich einig: Der Schutz der Kinder geht über alles – auch über das Keuschheitsgelübde.

Ihre Liebe zu Gott ist das Höchste. Doch was, wenn sich ein Priester in eine Frau verliebt? Was passiert, wenn dabei auch noch ein Kind gezeugt wird? Sexuelle Beziehungen zwischen Geistlichen und Frauen sind eine Realität, mit der man in der Kirche seit jeher zurechtkommen musste. Dass Gottesmänner manchmal schwach werden, kann und will man auch in Südtirol nicht leugnen. Nicht nur im Zuge der derzeit stattfindenden Synode wird über die Enthaltsamkeitspflicht gesprochen.

Der Brief der italienischen Frauen an den Papst, die die Aufhebung des Zölibates fordern, hat in Südtirol wieder eine rege Diskussion angestoßen, allerdings eine schwierige, die sehr viel Fingerspitzengefühl verlangt und auf gespaltene Meinungen trifft.

„In erster Linie geht es hierbei nämlich um die Kinder, um ihre Rechte und um ihre Wohlergehen“, bringt es der Moraltheologe Don Paolo Renner auf den Punkt. Meist werden diese Beziehungen geheim gehalten und in den allermeisten Fällen wächst das Kind heran, ohne zu wissen, wer sein leiblicher Vater ist. Renner ist sich sicher: Jeder Geistliche soll sich seiner Aufgabe bewusst sein und sein Versprechen gegenüber Gott einhalten. Man habe nun mal das Zölibat abgelegt. „Aber wenn er sich trotzdem auf eine Beziehung mit einer Frau einlässt und ein Kind aus dieser Verbindung hervorgeht, so muss er auch dazu stehen und die Verantwortung übernehmen“, betont Renner.

Auch der Moraltheologe Martin Lintner schlägt in diese Kerbe: „Wenn ein Priester ein Kind zeugt, soll er alles daran setzen, dass es diesem gut geht. Es hat das Recht, den eigenen Vater zu kennen.“ Ein Leben in der ständigen Ungewissheit, wessen Kind man sei, bedeute oft einen großen Leidensdruck. Ein Priester und eine Frau, die sich auf eine Beziehung einlassen und einem Kind das Leben schenken, müssen sich bewusst sein, dass sie diesem Kind eine gewisse Hypothek mit ins Leben geben.

„Sie müssen sich fragen, wie sie sich verhalten sollen, damit das Kind möglichst wenig der leidtragende Part ist“, betont er. Für ihn geht es neben den menschlichen Bedürfnissen auch um praktische Fragen: „Wer übernimmt die Verantwortung für das Kind und die Mutter? Wer sorgt finanziell für sie?“ Die Antwort auf letztere Frage liegt für den Moraltheologen auf der Hand: „Wie jeder Mann, der ein Kind zeugt, soll auch ein Priester die Verantwortung dafür übernehmen“, so Lintner.

Doch was passiert mit dem Priester, der sich entscheidet, für die Mutter seiner Kinder und für seinen Nachwuchs da zu sein? „Er bleibt sein Leben lang Priester“, erklärt Renner, „auch wenn er aus diesem Amt suspendiert wird“, erklärt Don Paolo Renner. Auch in Südtirol gibt es einige Geistliche, die sich für diesen Schritt entschieden haben, rund 30 Fälle sind Renner bekannt: „Sie haben eine Stelle in einer diözesanen Einrichtung, als Religionslehrer oder Ähnliches erhalten.“

Dass nun aber erneut eine Diskussion angeregt wird, ist den beiden Moraltheologen recht: „Das ist ein Thema, über das in der Kirche gesprochen wird und gesprochen werden muss, weil es Betroffene gibt, für die eine solche Situation oft eine enorme, jahrelange Belastung bedeutet“, betont Lintner. „Sie leiden unter Schuldgefühlen, unter der Angst vor der Öffentlichkeit oder davor, entdeckt zu werden.“

Konkrete Lösungsvorschläge hat Renner im Ärmel: Einfachen Priestern, die nicht das Amt eines Bischofs anstreben oder sich zu Höherem in der Kirche berufen fühlen, sollte es erlaubt sein, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Dadurch könnte man nicht nur viel Geheimniskrämerei verhindern und einigen Paaren und Familien viel Leid ersparen. „Auch der Priester wäre viel mehr in das Leben des Volkes eingebunden und könnte leichter in dessen Alltag eintauchen“, erklärt Renner. „Und dass man so dem Priestermangel besser entgegenwirken könnte, versteht sich natürlich auch von selbst.“

Ganz so einfach sieht Lintner dieses Problem allerdings nicht. Er denkt bereits einen Schritt weiter: „Die Frage ist nicht damit gelöst, dass man das Pflichtzölibat aufgibt.“ Man müsse sich auch mit den Problemen auseinandersetzen, die es danach geben könne: Wie gehe man mit den verheirateten Priestern um, deren Ehe scheitert? Das sind Fragen über Fragen, für die man noch keine Antwort kennt, die man allerdings angehen muss.
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