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Manch einem, der die innerkirchliche Diskussion um den priesterlichen Zölibat verfolgt, mag dessen Abschaffung wie ein Heilmittel gegen die Krise erscheinen. Als Hilfe gegen den immer größeren Priestermangel – denn immer weniger junge Männer entscheiden sich für den Priesterberuf – und als Rückenwind für eine Seelsorge, die näher an den Lebensumständen der Menschen in den Gemeinden ist, wenn der Gemeindevorsteher, der Pfarrer also, selbst in einer Familie lebte. Da ist es hilfreich, an einem Arte-Themenabend mittels einer Dokumentation mit aktuellen Beispielen wie geschichtlichem Rekurs auch sachlich an die Materie herangeführt zu werden. Die beim Österreichischen Rundfunk (ORF) entstandene Dokumentation „Der Zölibat – Eine Geschichte von Sex, Moral und Politik“ von Fritz Kalteis bietet eine Mischung aus Spielszenen, wissenschaftlichen Erläuterungen der Theologie-Professoren Thomas Prügl (Wien) und Elisabeth Permantier (Straßburg) sowie aus Statements und Testimonials von mehreren Geistlichen. Zu Letzteren zählen unter anderem der angehende Priester Hannes Grabner, der Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler und der inzwischen verheiratete Priester Hans Rabl. Dessen Ehefrau Silke kommt in dem rund 55-minütigen Film ebenfalls zu Wort. Das alles ist sachkundig recherchiert, angemessen aufbereitet und ohne jeglichen Missionierungsanspruch erarbeitet. Zudem lässt der Autor Raum, das Gesehene zu bedenken, wenn er einfach nur mit Musik unterlegte Bilder zeigt. Dass es manchmal übertrieben dramatisch zugeht, wenn Blitz und Donner vom Himmel zucken und dröhnen, ist verzeihlich. Denn deutlich wird einmal mehr, dass die Verpflichtung zu Enthaltsamkeit und Ehelosigkeit beim katholischen Priester nichts anderes ist als ein Kirchengesetz, das von der obersten Instanz, dem Papst also, leicht geändert werden könnte. Entstanden um die erste Jahrtausendwende aus sehr profanen Gründen, könnte das Gesetz heutzutage wieder aufgehoben oder modifiziert werden – wenn der Papst und das Bischofskollegium es denn wollten. So jedenfalls der Tenor der Professorenäußerungen. Ursprung des Zölibats ist die einstige Auseinandersetzung zwischen Papst und Kaiser um die Besetzung der Bischofsstühle. Investiturstreit und Canossa sind die geläufigen Stichworte dazu. Der Zugang zum Priester- und später Bischofsamt sollte erschwert werden. Umstritten war der Zölibat seit seiner Einführung. Für die einen ermöglicht er die totale Hinwendung zu Gott, für andere bringt er nichts als Heuchelei und Doppelmoral hervor. Pikanterweise befürwortet im Film der Benediktiner Jeremia Eisenbauer den Zölibat, obwohl er als Mönch zwei Beziehungen zu Frauen lebte. Vor die Entscheidung gestellt, entschied er sich für den Verbleib im Kloster, weil ihn die Gemeinschaft trug.
Frauen sind in solchen Fällen die Leidtragenden. Sie gelten vielen immer noch als Quell der Sünde. Statt in der Beziehung zwischen Priester und Frau möglicherweise auch eine Chance zu sehen. Einen Fragenkomplex spart die Dokumentation komplett aus: Ist die Zölibatsdiskussion vielleicht doch nur eine (west)europäische Angelegenheit? Eine Fragestellung, die den wachsenden Kirchen in Asien, Afrika und Lateinamerika fremd ist? Vielleicht auch, weil dort – fernab von Rom – die Praxis anders gelebt wird als die reine Lehre? Schließlich gibt es auch hier in Westeuropa Priester in Beziehungen, von der Gemeinde akzeptiert. So lange es im Verborgenen geschieht, ist angeblich vieles möglich. Und der Doppelmoral Tür und Tor geöffnet. Bei der Entstehung des Zölibats war jedenfalls nicht die Rede davon, dass Priester ledig sein müssten, weil auch Jesus keine Frau und Familie hatte. Es ging vielmehr um Machtpositionen. Die – aus anderen Motiven – auch heute offenbar noch beibehalten werden sollen. Wie anders ist es zu verstehen, dass dem jungen Kaplan Rabl, wie es in der Dokumentation heißt, offiziell angeboten wurde, seine Beziehung heimlich fortzusetzen? Eine Vorgehensweise, die wohl immer noch praktiziert wird.
Wenn es Kritik am Zölibat in den Aussagen des Films gab, dann an der Verpflichtung, dass es keine „Stufen“ gibt, wie es sie etwa in den orthodoxen Kirchen existieren, die nicht weniger katholisch sind als die römisch-katholische Kirche. Etwa, dass nur zölibatär lebende Priester auch Bischof werden können. Und/oder dass nur die Klöster den Zölibat pflegen. Der Film von Fritz Kalteis war eine solide Auseinandersetzung mit der Thematik. Ihm ging es nicht um Visionen und mögliche Weiterentwicklungen, sondern um eine Art Bestandsaufnahme mit historischer Unterfütterung.
Quelle: Funkkorrespondenz
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