Dienstag, 20. November 2012

Das schreckliche Versagen unserer Bischöfe

Gastbeitrag von Dr. Herbert Kohlmaier:

Kardinal Schönborn hat im Gespräch mit einer italienischen Zeitung gemeint, die Lage seiner Kirche sei weniger gravierend als es die Medien schilderten. Er teile die Sorgen der Pfarrer-Initiative wegen der sinkenden Priesterzahl, aber das hänge auch mit der rückgängigen Zahl der Bevölkerung zusammen! Die richtige Lösung sei da ein neuer Missionierungseinsatz.

Nun irrt der Herr Erzbischof insofern gewaltig, als es in Österreich ein beständiges Bevölkerungswachstum gibt! Die Ursachen für den mangelnden Priesternachwuchs sind ganz wo anders zu suchen. In diesem Sinne wäre es aufschlussreich, wissenschaftliche (so genannte qualitative) Untersuchungen heranzuziehen, die darüber Auskunft geben, welche Gründe die gar nicht so wenig vorhandenen Theologiestudenten beiderlei Geschlechts davon abhalten, den Beruf eines Seelsorgers zu ergreifen.

Auch ohne eine solche Erhebung dürfte ganz klar sein, was da maßgeblich ist:
  • Frauen werden von vorneherein abgewiesen,
  • man muss auf Ehe und Familie verzichten und soll ein „keusches“ Leben führen,
  • der Einstieg in ein System mit deutlich reduzierten Zukunftsaussichten ist wenig attraktiv, das Sozialprestige des Priesterberufs nimmt ab, und schließlich
  • wenig verlockend erscheint wohl auch, einen Arbeitsplatz zu wählen, wo statt dem Einsatz moderner Führungsmethoden bedingungsloser Gehorsam eingefordert wird.
Eine noch so angestrengte Missionierung wird all dem wohl herzlich wenig abhelfen können.

Die recht weit von der Realität entfernten Erklärungen des Erzbischofs von Wien sind nur ein Beispiel für die oft geradezu kläglichen Versuche vieler seiner Amtsbrüder, mit einer wirklich prekären Situation fertig zu werden. Sie müssen heute einen wahrhaft unmöglichen Job ausüben. Man sollte sie insofern wirklich bedauern, als sie so etwas wie einen ständigen und zermürbenden Zweifrontenkrieg führen müssen.

Auf der einen Seite sind sie einem brutalen Druck von oben ausgesetzt. Nach mehreren Beispielen wie dem Hinauswurf des australischen Bischofs Morris und zuletzt dem von Bratislavas Bezak haben sie zu fürchten, beim geringsten Unwillen des Vatikans ihr Amt los zu sein. Im letztgenannten Fall genügte ganz offensichtlich, dass ein untadeliger Amtsinhaber dem Fehlverhalten seines Vorgängers nachgehen wollte. Das stört – wie schon bei den Fällen sexueller Vergehen – den gewünschten Anschein geistlicher Heiligkeit und muss bestraft werden. Auf der anderen Seite sind große Teile des Kirchenvolks mit der Situation ihrer Glaubensgemeinschaft höchst unzufrieden und verstärken immer ungeduldiger den Druck, Reformen durchzuführen.

Wie soll man sich da zurechtfinden? Aber der Vatikan ist aus den genannten Gründen stärker. So muss man immer irgendwie beschwichtigen, beschönigen, verzögern, fadenscheinige Ausreden suchen oder auch täuschen. Besonders ärgerlich ist da die Behauptung von der „Weltkirche“, ohne die man nichts machen könne. Ein Bischof jenes Formats, das man sich wünschen würde und das leider kaum mehr anzutreffen ist, müsste sehr selbstbewusst sagen: „Die Weltkirche bin auch ich“. Sie wird nämlich von allen Bischöfen repräsentiert, keineswegs nur von dem in Rom. Keiner von ihnen kann und darf da abseits stehen und jeder trägt die gleiche und ungeteilte Verantwortung. In Wahrheit meint man, wenn man „Weltkirche“ sagt, die Diktatur des Vatikans, unter deren Joch man sich beugt.

Wenn einem auch die Bischöfe in dieser Zwickmühle leid tun können, so muss man andererseits sagen, dass sie an ihrer elenden Lage keineswegs unschuldig sind. Sie haben in Missachtung der Worte Jesu, nicht zu schwören, das Gelöbnis abgelegt, der frei (!) ausgeübten „primatialen Gewalt“ des Papstes zu folgen, den sie als „Stellvertreter Christi“ anzuerkennen haben. Ein derartig unfassbarer Verzicht auf eigene Entscheidung und Verantwortung kann als arger Verstoß gegen das Evangelium nur böse Folgen haben. Er akzeptiert eine verhängnisvolle Umkehr der Verhältnisse. In Wahrheit ist der Papst Stellvertreter aller Bischöfe, die in ihrer Gemeinschaft zur Lenkung der Kirche berufen sind. Und Christus hat nur einen Stellvertreter auf Erden, nämlich den Heiligen Geist, den zu senden er den Seinen zusagte.

Erklärt ein ganz und gar fehlbarer Mensch, Jesus zu repräsentieren, den die Kirche als eine der drei göttlichen Personen ansieht, unternimmt er wahrhaft Ungeheuerliches, nämlich Blasphemie. Gott ist für uns alle der nicht Erkennbare und nicht Erklärbare. Behauptet dennoch jemand, er wisse was dieser wolle und er allein könne an seiner Stelle entscheiden, ist das eine schwere und unverzeihliche Verfehlung.

Wer vorgibt, im Namen und Auftrag Gottes zu handeln, kann nur entweder von einer Art Größen- oder Machtwahn befallen sein oder er will mit einer solchen Anmaßung schlichte Gemüter täuschen. Der den Bischöfen auferlegte Zwang, dabei mitzumachen und sich zu unterwerfen, bedeutet die systematische Zerstörung des wichtigsten Amtes in der Kirche, das im Laufe der Geschichte viele großartige Persönlichkeiten ausübten.

Mit der feigen Hinnahme dessen liegt eine Selbstdemontage unserer so genannten „Oberhirten“ vor. Sie sehen offenbar nicht, was das für Folgen haben muss – nicht nur für sie sondern für die ganze Kirche! Wissen sie nicht, wie schnell der Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen getan sein kann? Und bedenken sie nicht, dass sie einmal vor Jesus stehen werden, nicht aber vor einem selbsternannten „Stellvertreter“?

In allen Messen wird für den ortszuständigen Bischof gebetet. Jeder von ihnen wird das sehr brauchen in einer Zeit wo auf dem Spiel steht, was ihr Amt früher bedeutete.

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