Freitag, 23. September 2011

"Beharrliche kleine Schritte" ... in vorkonziliare Zeiten?

Dipl. Ing. Friedrich Griess, Vorstandsmitglied der Laieninitiative, antwortet Bischof Dr. Egon Kapellari in einem offenen Brief auf den Kathpress-Artikel Grazer Bischof für "beharrliche Schritte" statt "großer Sprünge"

Sehr geehrter Herr Bischof,

ich stimme Ihnen gerne zu, dass es besser ist, beharrliche kleine Schritte statt großer Sprünge zu machen. Allerdings sollten diese kleinen Schritte in die richtige Richtung gehen. Derzeit gehen sie nämlich größtenteils in die falsche Richtung, nämlich zurück in die Zeit vor dem 2. Vatikanischen Konzil. Ich möchte dies anhand einiger persönlich erlebter Beispiele zeigen.

In den Siebzigerjahren absolvierte ich, nicht aus eigenem Bestreben, sondern auf Wunsch der Pfarre, in der ich damals tätig war, einen Kommunionspenderkurs unter der Leitung von Dr. Walter Kirchschläger. Beim Papstbesuch 1983 waren wir Laien plötzlich in Kommunionhelfer umbenannt. Heute heißen wir nun außerordentliche Kommunionhelfer und dürfen offiziell nur mehr in äußersten Notsituationen eingesetzt werden. Die Beifügung „außerordentliche“ ist dabei völlig sinnlos, da es ja keine „ordentlichen Kommunionhelfer“ gibt. Die Bezeichnungsänderungen dienten also nur dazu, uns Laien als minderwertig abzuqualifizieren. Der Brief des Papstes an die Priester schärfte ein, dass eigentlich nur die Hand des zölibatären geweihten Priester geeignet sei, die Eucharistie zu berühren, und das Purifizieren wurde uns Laien ebenfalls verboten. Außerdem dürfte es nicht mehr lange dauern, bis nicht nur im Petersdom, sondern überall auf der Welt die Handkommunion verboten wird. Alles immer in kleinen aber „beharrlichen Schritten“. Freilich wird derzeit in den meisten Pfarren die bisherige Praxis weitergeführt, man ist also „ungehorsam“, bis vielleicht eines Tages dieser „Ungehorsam“ von den Bischöfen offiziell empört entdeckt wird und kirchendisziplinäre Maßnahmen folgen.

Ein weiteres Beispiel, das vielleicht nur lokale Bedeutung hat, aber auf eine Art von vorauseilendem Gehorsam hinweist: ebenfalls von Beginn der Siebzigerjahre an durfte ich wie auch viele andere Laien als „Firmhelfer“ tätig sein. Als Absolvent des „Theologischen Laienjahres“ (ich habe noch aus den Händen von Kardinal Innitzer das Abschlusszeugnis erhalten) hatte ich dafür wohl gute Voraussetzungen. Die Arbeit mit den Firmkandidaten war für mich eine sehr schöne Zeit, und manche von ihnen bedankten sich bei mir mit der Bemerkung „Du hast uns Gott ein Stück näher gebracht.“ Zu Beginn der Neunzigerjahre wurde mir mitgeteilt, ich könne das nicht mehr weitermachen, denn ich sei dazu „zu alt“. Heute sehe ich vielerorts, dass Firmunterricht nur mehr von den Pfarrern selbst erteilt wird, die aber überhaupt keine Zeit mehr für persönliche Gespräche haben und von Termin zu Termin hetzen. Vielleicht ist das noch nicht überall so, aber ich frage mich, wie lange dies noch dauern wird. Otto Neubauer hat vor dem Papst mit Recht die Reklerikalisierung der Kirche beklagt – wird diese Klage Berücksichtigung finden?

Bezüglich der Möglichkeit von Frauen, ihre Begabungen der Kirche zur Verfügung zu stellen, bin ich sehr froh darüber, dass Frau Dr. Prüller-Jagenteufel zur Pastoralamtsleiterin der Erzdiözese Wien ernannt wurde. Vorher waren ja schon Frau Oberin Gleixner und Frau Dr. Mann an geistliche relevante Stellen gerückt. Auch gibt es in mehreren Ländern bereits theologische Universitätsprofessorinnen. Im Vatikan ist man offenbar noch nicht soweit - oder wird es vielleicht niemals sein. Kardinal Piacenza erklärte bekanntlich: „Eine große Wirtschaftsexpertin kann zum Beispiel die Führung der Administration des apostolischen Sitzes übernehmen. Eine kompetente Journalistin könnte zur Vatikan-Sprecherin avancieren". Bitte: Wirtschaftsexpertin ist doch keine geistliche Tätigkeit, und auch eine Vatikan-Sprecherin kann kaum ihre eigenen geistlichen Ansichten öffentlich äußern. Das wird also allein Männern vorbehalten und ist offensichtlich eine Anpassung der Kirche an den Zeitgeist der Vergangenheit, der bekanntlich Frauen für minderwertig hielt, ohne dass für diese Einstellung in der Lehre oder in den Handlungen Jesu und der Apostel irgendeine Begründung zu finden wäre. Jesus ließ sich von Frauen sogar bezüglich seiner Sendung etwas sagen (Mt. 15, 21-28; Mk 7, 24-30). Wann werden Papst und Bischöfe Seinem Beispiel folgen?

Werden nun diese für die Frauen und für die Kirche erfreulichen Errungenschaften mit der Methode der „beharrlichen Schritte“ von Rom aus wieder rückgängig gemacht? Ein Anfang ist ja schon geschehen: in Messen nach dem alten Ritus, der stark gefördert wird, sind Ministrantinnen nicht mehr erlaubt.

Ich will ja nicht bestreiten, dass es in unserer Kirche auch Gutes gibt. Ich hoffe aber, Sie verstehen, dass gerade für die Kirche engagierte Menschen unter dieser Entwicklung sehr leiden.

Ich habe zu Beginn von der „richtigen Richtung“ geschrieben. Die „richtige Richtung“ ist für mich immer jene, die die Kirche den Worten und Handlungen Jesu und der Apostel näher bringt. Dass hier Handlungsbedarf besteht, habe ich in meinem Text „Wem haben Katholiken Gehorsam zu leisten“ dargelegt.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr Friedrich Griess

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