Gastkommentar von Bert Brandstetter, Präsident der Katholischen Aktion OÖ auf seinem Blog
Was immer man mehr oder weniger gehorsamen Christen von
hierarchischer Seite an schlimmen Dingen nachsagen mag: sie bekommen bei
ihren Rufen nach Reformen jetzt indirekte Unterstützung von einer sehr
viel größeren Gruppe. Es ist das gesamte Volk der Katholiken zumindest
in Deutschland. Das renommierte Institut „Sinus“ hat zum zweiten Mal
seit 2005 die religiösen und kirchlichen Orientierungen der Katholiken
in Deutschland untersucht und ist zu einem klaren Ergebnis gekommen. Es
kommt einem Paukenschlag gleich und es verlangt eine drastische Umkehr
in vielen Bereichen.
Katholiken in Deutschland sehen ihre Kirche
mittlerweile deutlich kritischer als noch vor wenigen Jahren. Noch
mehr: im Gegensatz zu 2005 gibt es kein soziologisches Milieu mehr, das
nicht kritische Ansätze gegenüber der Kirchenführung äußert. Konkret
distanzieren sich viele der Befragten von der katholischen Sexuallehre,
vom Umgang der Kirche mit Frauen und Homosexuellen sowie von der Haltung
gegenüber Geschiedenen und Christen anderer Konfessionen.
Nun wurde die (von kirchlichen Organisationen in Deutschland
beauftragte) SINUS-Studie ausschließlich in Deutschland und nicht in
Österreich durchgeführt. Dies vielleicht als Trost gelten zu lassen,
dass in Österreich die Uhren anders tickten, halte ich für falsch.
Österreich mag in manchen, vielleicht auch in Kirchendingen etwas hinter
seinem westlichen großen Bruder hinterher zu gehen, der Trend ist aber
nicht wegzuleugnen.
Also weiter: Wer gemeint oder gehofft hätte, über die
Missbrauchsfälle würde allmählich Gras wachsen, vielleicht, weil sich
die Austrittszahlen gerade in Österreich im letzten Jahr etwas
abgeflacht haben, dürfte sich getäuscht haben. Die Glaubwürdigkeit der
Institution bei ihren Mitgliedern ist durch die Missbrauchsskandale
abgrundtief tief erschüttert. Quer durch alle Milieus ist dadurch ein
Vertrauensbruch entstanden, der schwer zu reparieren scheint.
Auch der Priestermangel beschäftigt die Befragten und gerade treue
Gläubige beklagen, dass sie ihre Pfarrer immer seltener zu Gesicht
bekommen. Dabei sind sie es, mit denen sie eine Grundsympathie
verbindet, ganz im Gegensatz zu Bischöfen und dem Papst, die für die
meisten rückwärtsgewandt und wenig attraktiv erscheinen.
Was ist die Folge? 20 Prozent, also jeder 5. überlegt manchmal, aus
der katholischen Kirche auszutreten. Dass es dann doch nicht zu diesem
Schritt kommt, mag nach den Worten eines SINUS-Forschers ernüchternd
klingen, ist aber offensichtlich so: es ist die Sorge, nach dem Tod
einfach „verscharrt“ zu werden.
Sehr viel von dem, was die aufwändige SINUS-Studie in Deutschland
jetzt empirisch nachgewiesen hat, findet sich in Forderungspapieren
vieler österreichischer Reformgruppen, auch jener der
Pfarrer-Initiative. Aber anstatt sich den Inhalten dieser Themen zu
widmen, verwenden kirchliche Obrigkeiten ihre Energie damit, die
ungehorsamen Rädelsführer zu maßregeln. Die deutsche SINUS Studie könnte
helfen, die Kirche in Österreich vor (noch) größerem Schaden zu retten.
Aber nur, wenn der Mut aufgebracht wird, Dinge beim Namen zu nennen und
im Vatikan griffige Reformen einzufordern. Reformen, die helfen würden,
die Kirche im Sinne ihres Gründers attraktiver und sympathischer zu
machen.
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