Mittwoch, 6. Februar 2013

Katholischer Hilfeschrei nach Reformen

Gastkommentar von Bert Brandstetter, Präsident der Katholischen Aktion OÖ auf seinem Blog

Was immer man mehr oder weniger gehorsamen Christen von hierarchischer Seite an schlimmen Dingen nachsagen mag: sie bekommen bei ihren Rufen nach Reformen jetzt indirekte Unterstützung von einer sehr viel größeren Gruppe. Es ist das gesamte Volk der Katholiken zumindest in Deutschland. Das renommierte Institut „Sinus“ hat zum zweiten Mal seit 2005 die religiösen und kirchlichen Orientierungen der Katholiken in Deutschland untersucht und ist zu einem klaren Ergebnis gekommen. Es kommt einem Paukenschlag gleich und es verlangt eine drastische Umkehr in vielen Bereichen.
Katholiken in Deutschland sehen ihre Kirche mittlerweile deutlich kritischer als noch vor wenigen Jahren. Noch mehr: im Gegensatz zu 2005 gibt es kein soziologisches Milieu mehr, das nicht kritische Ansätze gegenüber der Kirchenführung äußert. Konkret distanzieren sich viele der Befragten von der katholischen Sexuallehre, vom Umgang der Kirche mit Frauen und Homosexuellen sowie von der Haltung gegenüber Geschiedenen und Christen anderer Konfessionen.
Nun wurde die (von kirchlichen Organisationen in Deutschland beauftragte) SINUS-Studie ausschließlich in Deutschland und nicht in Österreich durchgeführt. Dies vielleicht als Trost gelten zu lassen, dass in Österreich die Uhren anders tickten, halte ich für falsch. Österreich mag in manchen, vielleicht auch in Kirchendingen etwas hinter seinem westlichen großen Bruder hinterher zu gehen, der Trend ist aber nicht wegzuleugnen.
Also weiter: Wer gemeint oder gehofft hätte, über die Missbrauchsfälle würde allmählich Gras wachsen, vielleicht, weil sich die Austrittszahlen gerade in Österreich im letzten Jahr etwas abgeflacht haben, dürfte sich getäuscht haben. Die Glaubwürdigkeit der Institution bei ihren Mitgliedern ist durch die Missbrauchsskandale abgrundtief tief erschüttert. Quer durch alle Milieus ist dadurch ein Vertrauensbruch entstanden, der schwer zu reparieren scheint.
Auch der Priestermangel beschäftigt die Befragten und gerade treue Gläubige beklagen, dass sie ihre Pfarrer immer seltener zu Gesicht bekommen. Dabei sind sie es, mit denen sie eine Grundsympathie verbindet, ganz im Gegensatz zu Bischöfen und dem Papst, die für die meisten rückwärtsgewandt und wenig attraktiv erscheinen.
Was ist die Folge? 20 Prozent, also jeder 5. überlegt manchmal, aus der katholischen Kirche auszutreten. Dass es dann doch nicht zu diesem Schritt kommt, mag nach den Worten eines SINUS-Forschers  ernüchternd klingen, ist aber offensichtlich so:  es ist die Sorge, nach dem Tod einfach „verscharrt“ zu werden.
Sehr viel von dem, was die aufwändige SINUS-Studie in Deutschland jetzt empirisch nachgewiesen hat, findet sich in Forderungspapieren vieler österreichischer Reformgruppen, auch jener der Pfarrer-Initiative. Aber anstatt sich den Inhalten dieser Themen zu widmen, verwenden kirchliche Obrigkeiten ihre Energie damit, die ungehorsamen Rädelsführer zu maßregeln. Die deutsche SINUS Studie könnte helfen, die Kirche in Österreich vor (noch) größerem Schaden zu retten. Aber nur, wenn der Mut aufgebracht wird, Dinge beim Namen zu nennen und im Vatikan griffige Reformen einzufordern. Reformen, die helfen würden, die Kirche im Sinne ihres Gründers attraktiver und sympathischer zu machen.

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