Referent: em. Univ. Prof. Dr. Valentin Zsifkovits
Vorstellung des Referenten durch Dr. Herbert Kohlmaier:
Der emeritierte Ordinarius für Christliche Sozialwissenschaften an der Uni Graz Valentin Zsifkovits hat sich mit diesem Thema wiederholt und engagiert-kritisch befasst, insbesondere 1997 mit dem Buch „Die Kirche, eine Demokratie eigener Art?“, welches Helmut Krätzl als „starken Anstoß zur weiteren Diskussion im Sinne der Erneuerung“ bezeichnete.
Priesterweihe 1958, Doktor der Theologie und der Staatswissenschaften. Zahlreiche Publikationen, auch nach der Emeritierung., u. a. „Politik ohne Moral?“, „Wirtschaft ohne Moral?“, „Demokratie braucht Werte“ und zuletzt „Was wir brauchen - Ethik im Alltag“.
Bemerkenswert ist sein Brief an Bischof Kapellari, der veröffentlicht wurde und in dem der Referent den Titel „Monsignore“ zurückgegeben hat, da er nicht „Ehrenkaplan einer Amtskirche sein will, in welcher eitles Karrierestreben eine schädliche Rolle spielt“.
Wenn ihm vorgehalten worden sei, dass er häretische Aussagen treffe, müsse er darauf verweisen, dass „Bischöfe keine Kapläne bzw. Delegaten des Papstes sind“. Würden diese Basisinteressen nicht ehrlich und verantwortungsvoll vertreten, laufe der Papst Gefahr, ein „Schreibtischtäter“ zu werden.
Aus dem Referat:
In der Demokratie geht das Recht vom Volk aus und in der Kirche - so wird gesagt - von Gott. Allerdings berief sich Professor Ratzinger 1970 auf Zyprian, der sagte, dass nichts ohne den Bischof geschehen sollte - aber ebenso nichts ohne Rat und Konsens - auch des Volkes! Tatsächlich bildet die Gemeinde die innere Struktur kirchlicher Demokratie. Diese bedeutet ja, dass die Mitglieder eines Gemeinwesens in größtmöglicher und sinnvoller Weise am Bilden des Gemeinschaftswillens mitwirken sollen. Nicht „Volksdemokratie“ soll bestehen, sondern ein freiheitliche, soziale und rechtsstaatliche.
Es gibt keine Gesellschaft ohne Macht, aber Popper weist zu Recht daraufhin, dass in der Demokratie nicht Diktatoren umgebracht werden müssen, sondern abgewählt werden können. Wesentlich wäre, dass Gottes Wille im Volk verwirklicht werden kann. Pius XII. erklärte gegenüber dem Kardinalskollegium, auch in der Kirche wäre das Subsidiaritätsprinzip anzuwenden - die Hierarchie bilde da kein Hindernis, was auch Nell-Breuning so sah.
Das bedeutet: Was der Einzelne leisten kann, darf ihm nicht entzogen und von der übergeordneten Instanz nicht in Anspruch genommen werden. Nicht zu Unrecht wurde daher der Kirche vorgeworfen, dieses von ihrer Soziallehre verkündete Prinzip nicht in den eigenen Reihen vorbildhaft anzuwenden.
Der Heilsdienst würde dies aber erfordern. Doch warum geschieht das nicht? Wer Macht hat, will nicht, dass sie beschränkt wird. Aischylos sagt, dass viel Leiden daher kommt, dass zu spät geschieht, was früher hätte geschehen können. Das gilt auch für die Spaltungen in der Kirche. Man muss bedenken, dass der Papst eine Macht hat, die er - außer er wäre eine göttliche Person - gar nicht ethisch verantwortungsvoll ausüben kann. Macht bedarf der Teilung, immer der ausreichenden Information und des Lernens anhand von Fehlern. Einseitige Information kann viel schaden, wie die jüngsten Fehler gezeigt haben - leider gibt es ja auch die Intrige.
Es geht um die Entziehung der Willkür, Selbstbestimmung ist der wesentliche Faktor der Freiheit. Beteiligung des Volkes heißt nicht Druck von der Straße! Die Verantwortung für alle muss natürlich von qualifizierten Personen ausgeübt werden. Wenn gesagt wird, die Kirche sei keine Demokratie, muss hinzugefügt werden, dass sie auch keine Diktatur im Namen Gottes sein darf. Die positiven Erfolge der Demokratie können in jeder Gemeinschaft verwirklicht werden. Das muss Schritt für Schritt in einem fairen Kampf erarbeitet werden, denn Mitbestimmung wurde nie geschenkt. Zählen müssen die Argumente, und zwar mutige!
Aus den Antworten in der Diskussion:
* Es gibt eine Kirchenenttäuschung, die vielen zu schaffen macht - hier liegt die tiefe Wurzel der Religionskrise. Es bedürfte der „unsichtbaren Wirkung der sakramentalen Gnade“, nicht aber fraglicher Heilmittel (wie Medjugorje ...)
* Auch in der Kirche ist der „Produktionsfaktor“ Personal entscheidend, doch derzeit finden wir überall ein schwaches Führungspersonal, was auch den Nachwuchs betrifft - es besteht also Handlungsbedarf!
* Sehr viel liegt am Rekrutierungssystem. Was den Zölibat als Hindernis betrifft, wäre es eigentlich logisch, zuerst auf bereits ehelos lebende Frauen zurückzugreifen! Zulehner sagte bekanntlich, dass der Zölibat (neben der Einehe) zu den „Hochrisikolebensformen“ zähle.
* Schon in der Bibel wird Widerstand gegen Könige geleistet, weil Gott als der alleinige Herrscher angesehen wurde. Priester waren aber als „Gralshüter“ des Willens Gottes auch Herrscher.
* Es gibt zu allen Zeiten viel Wandel, der auch die Symbole und die verwendete Sprache betrifft. Uniformen kommen eigentlich „aus der Hölle“! Überholte Strukturen haben niemals Bestand, wenn sich das Bewusstsein ändert.
* Das Wichtigste in einer positiven Entwicklung ist immer das gute Beispiel. Paulus verlangt bekanntlich, dass ein Bischof ein guter Familienvater sein soll.
* Leider gibt es „therapieresistente“ Menschen. Würde jeder in seinem Verantwortungsbereich richtig handeln, wäre alles gewonnen - trotz allen Elends der Welt! Es hat auch Jahrhunderte gedauert, bis sich die Menschenrechte durchsetzten und die Sklaverei überwunden wurde.
* Bei jedem langwierigen Prozess ist im Kleinen anzufangen, wir brauchen die Tugend der aktiven Geduld. Es gibt auch einen Wandel des Rechts durch Nichtbeachtung, also „zivilen Ungehorsam“. Bischof Lobinger hat berichtete, wie man sich in Südafrika beim Priestermangel geholfen habe - man habe auf den Vatikan einfach nicht gewartet.
* Was die Wahl der Bischöfe betrifft, habe ich konkrete Vorschläge für anzuwendende Modelle - es sollten von der Diözesankirche Vorschläge kommen - 3 gereihte Personen -, wobei auch die Nationalkirche befasst werden sollte. Um der Überforderung des Papstes zu begegnen, sollten im Sinn des Subsidiaritätsprinzips Patriarchate der Kulturkreise gebildet werden.
* Die Kirche darf nicht mit dem Reich Gottes gleichgesetzt werden, dieses darf nicht hinaus geschoben werden.
* Es bedarf der heute fehlenden praktischen Begabung, nicht der konservativen Gruppen, damit etwas weitergeht in Rom - es gibt eine Wahrheit der Resultate und der Fakten.
Schmidtmayr versucht ein Resümee: Wir müssen in unserem Lebensraum Kirche so leben, wie sie sein sollte. Wir müssen uns immer zu Wort melden, auch kritisch - es bedarf jedenfalls des „langen Atems“...
Zur Beachtung: Das Buch des Herrn Vortragenden „Die Kirche, eine Demokratie eigener Art?“ ist nach wie vor im Buchhandel erhältlich - LIT - Verlag 1997, ISBN 3-8258-3422-0.
Tagung des "Lainzer Kreises" am 15. März 2009. Für das Protokoll: Herbert Kohlmaier
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen