Gregor Görtler wendet sich in diesem Gastbeitrag mit einem fiktiven Brief an Bischof Ägidius:
Sehr geehrter Herr Bischof Zsifkovits!
Zu Beginn meines Schreibens erlaube ich mir, mich kurz vorzustellen. Mein Name ist G.G. Abzocker und ich bin im Vorstand der Firma Profitmax & Sohn AG tätig. Ehrenamtlich leite ich auch den Verein „Hoch den Neoliberalismus“, welcher Ihnen vielleicht nicht ganz unbekannt ist, und der einige namhafte Mitglieder aufweisen kann.
Vielleicht wird Sie mein Schreiben überraschen, denn bislang sahen wohl weder Sie noch ich besondere Berührungspunkte unserer Organisationen. Speziell unsere Firma und unser Verein sahen die Tätigkeiten Ihrer Organisation eigentlich seit jeher mit sehr gemischten Gefühlen. Ich darf Ihnen sogar verraten, dass wir dachten Ihre Grundsätze seien geradezu diametral entgegengesetzt zu unserer Firmenphilosophie. Wir wussten ja nicht wie sehr wir uns getäuscht hatten!
Ehrwürdigster Herr Bischof, die Ereignisse der letzten Wochen nötigen uns unseren tiefsten Respekt und unsere Bewunderung speziell für Ihre Person ab. Ich möchte Sie innigst bitten uns mitzuteilen, wie man eine solch schlagkräftige Organisation aufbauen kann. Aus der Presse habe ich erfahren, dass Sie einen leitenden Angestellten, den Regens des Priesterseminars, mit einer zweizeiligen Nachricht entlassen haben – was für eine wunderbare Nachricht für uns Neoliberale! Haben Sie eine Vorstellung davon, was wir bei unserer Firma alles in Gang setzen müssen, um einen leitenden Angestellten zu entlassen? Arbeitnehmerschutz, Arbeiterkammer, Abfertigungen und dann noch dazu die Gewerkschaften. Noch dazu haben Sie diesen Herren mit einem weiteren Schreiben dazu aufgefordert, unverzüglich seine Dienstwohnung zu räumen, mit dem Hinweis auf priesterlichen Gehorsam – welch wunderbare Welt! Wenn wir ein paar Mieter rausschmeißen wollen, dann brauchen wir dafür Monate.
Dann noch diese grandiose Inszenierung Ihres Dienstantrittes. Aus der Presse habe ich erfahren, dass mit den Vorbereitungen und der Durchführung 23 Personen betraut waren. Wir müssen in unserer Firma alle Kosten vor unseren Aktionären offenlegen und verantworten, zusätzlich sitzen uns noch die Finanzmarktaufsicht und diverse Kontrollorganisationen im Nacken. Wenn ich mehrere Leute einlade, dann muss ich mich sogar mit dem Anti-Korruptionsgesetz beschäftigen. Zuletzt ist mir noch zu Ohren gekommen, dass Sie drei zusätzliche Stellen geschaffen haben – ohne Kontaktierung des Betriebsrats und das alles noch bei Unkündbarkeit Ihrer Stelle – einfach grandios!
Sehr geehrter Herr Bischof. Sie sind unser Mann! Wir bitten Sie inständigst bei unserem Verein „Hoch dem Neoliberalismus“ ein Referat über den Aufbau und die Möglichkeiten Ihrer Organisation zu halten. Ich bin davon überzeugt, dass es viele Firmen, so auch meine Firma Profitmax & Sohn AG gibt, die danach trachten Ihrem Beispiel zu folgen und die eine Menge von Ihnen lernen können.
In tiefster Verbundenheit
G.G. Abzocker
P.S. Da meine Position leider nicht unkündbar ist und wir zweifellos in vielen Dingen Brüder im Geiste sind, darf ich Sie noch im Vertrauen fragen: Wie wird man Bischof?
25.10.2010
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