Sexualmoral. Pillenverbot, wiederverheiratete Geschiedene und Missbrauchsfälle. Weihbischof Helmut Krätzl diagnostiziert einen dreifachen Vertrauensverlust und verlangt Reformen.
Josef Bruckmoser
Josef Bruckmoser
Der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl ist auch im Alter von 79 Jahren ein unermüdlicher Mahner. In zahlreichen Vorträgen und in seinen Büchern fordert Krätzl die längst überfälligen Reformen ein. Die SN sprachen mit dem Weihbischof über den Vertrauensverlust der Kirche und darüber, was ihm Hoffnung gibt.
Herr Weihbischof, die katholische Kirche hat im Jahr 2010 durch den Missbrauchsskandal einen schweren Vertrauensverlust erlitten. Wie nachhaltig ist der Schaden?
Krätzl: Es ist durch diese Vorfälle tatsächlich zu einem schweren Vertrauensverlust bis in die innersten Kreise der Kirche hinein gekommen. Sogar die Kirchenaustritte haben erstmals das innerste Segment der katholischen Pfarrgemeinden erreicht. Nicht selten sind es erwachsene Kinder von Pfarrgemeinderäten, von kirchlich engagierten Eltern, die nicht mehr dazugehören wollen.
Besonders tiefgreifend war dieser Vertrauensverlust, weil erneut die Sexualmoral der Kirche am Pranger gestanden ist. Viele Gläubige haben sich daran gestoßen, dass ihnen die Kirche in Bezug auf die Ehe sehr rigide Vorschriften mache und von Verfehlungen im Klerus weggeschaut habe. Da hilft auch das sachlich richtige Argument wenig, dass die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche weniger als zwei Prozent aller Fälle ausmachen. Die Kirche wird in der Sexualmoral als streng erlebt und daher wird in dieser Frage auch ein besonders strenger Maßstab an sie angelegt.
In der Sexualmoral gab es seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) mehrere Brüche.
Herr Weihbischof, die katholische Kirche hat im Jahr 2010 durch den Missbrauchsskandal einen schweren Vertrauensverlust erlitten. Wie nachhaltig ist der Schaden?
Krätzl: Es ist durch diese Vorfälle tatsächlich zu einem schweren Vertrauensverlust bis in die innersten Kreise der Kirche hinein gekommen. Sogar die Kirchenaustritte haben erstmals das innerste Segment der katholischen Pfarrgemeinden erreicht. Nicht selten sind es erwachsene Kinder von Pfarrgemeinderäten, von kirchlich engagierten Eltern, die nicht mehr dazugehören wollen.
Besonders tiefgreifend war dieser Vertrauensverlust, weil erneut die Sexualmoral der Kirche am Pranger gestanden ist. Viele Gläubige haben sich daran gestoßen, dass ihnen die Kirche in Bezug auf die Ehe sehr rigide Vorschriften mache und von Verfehlungen im Klerus weggeschaut habe. Da hilft auch das sachlich richtige Argument wenig, dass die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche weniger als zwei Prozent aller Fälle ausmachen. Die Kirche wird in der Sexualmoral als streng erlebt und daher wird in dieser Frage auch ein besonders strenger Maßstab an sie angelegt.
In der Sexualmoral gab es seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) mehrere Brüche.
Krätzl: Der erste Vertrauensverlust dieser Art zwischen Kirchenleitung und einem großen Teil der Gläubigen ist 1968 im Anschluss an die Enzyklika „Humanae vitae“ geschehen. Nach vielen sehr guten und tragenden Aussagen in diesem Schreiben von Papst Paul VI. blieb fast nur im Gedächtnis, dass alle direkt empfängnisverhütenden Mittel wie die Pille in sich schlecht seien. Damit begann zum ersten Mal das Vertrauen in eine päpstliche Lehre zu schwinden – auch wenn weltweit 30 Bischofskonferenzen, darunter die deutsche („Königsteiner Erklärung“) und die österreichische („Maria Troster Erklärung“) mildernde Stellungnahmen abgegeben hatten, die der persönlichen Gewissensentscheidung einen Raum gelassen haben.
Viele Gläubige und sogar Seelsorger tragen auch den Ausschluss wiederverheirateter Geschiedener von der Kommunion nicht mit.
Krätzl: Papst Johannes Paul II. hat eingeräumt, dass es wegen gemeinsamer Kinder Fälle geben könne, in denen wiederverheiratete Geschiedene sich nicht mehr trennen könnten. Zu den Sakramenten dürften sie aber nicht gehen, außer sie lebten enthaltsam.
Diese Entscheidung haben auch tiefgläubige katholische Ehepaare als untragbar angesehen. Das kirchliche Lehramt hat sich damit völlig von der Lebenswirklichkeit entfernt. Einige Pfarrer und Pfarrgemeinden folgen diesem rigorosen Verbot schon nicht mehr und gehen eigene Wege. Damit entsteht eine untragbare Spaltung zwischen der Kirchenleitung und dem Kirchenvolk.
Was kann diesem dreifachen Vertrauensverlust entgegengehalten werden: dem Pillenverbot von 1968, der Frage der wiederverheirateten Geschieden und den Missbrauchsfällen?
Krätzl: Die katholische Kirche muss dringend die Entwicklung ihrer eigenen Theologie und der teils bereits geübten Praxis aufgreifen. Die unauflösliche Ehe steht außer Frage, aber es gibt sehr gute Vorschläge, wie die Kirche trotzdem konkreten Lebenssituationen gerecht werden kann. Etwa wenn in der neuen Beziehung Verpflichtungen durch gemeinsame Kinder entstanden sind und wenn die Trennung der ersten Ehe mit Achtsamkeit und Rücksicht auf alle Betroffenen aufgearbeitet wurde. Zu Recht wird auch immer die Nähe der römisch-katholischen Kirche zu den orthodoxen Kirchen betont. Dort wird zwar eine zweite oder dritte Eheschließung nicht mehr feierlich zelebriert wie die erste, aber die Brautleute bekommen den Segen der Kirche.
Zu den Missbrauchsfällen hat die von Kardinal Christoph Schönborn eingesetzte Kommission unter Waltraud Klasnic eine sehr gute Arbeit geleistet. Da sind andere gesellschaftliche Bereiche, die auch von dem Thema betroffen sind, nicht so weit. In den innerkirchlichen Fragen der Disziplin und der Moral wird aus Rom in naher Zukunft nichts Neues kommen. Wo sehen Sie dennoch Hoffnungszeichen?
Krätzl: Außerordentlich positiv überrascht hat mich das Eröffnungsreferat, das der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Erzbischof Robert Zollitsch zur Herbstsession gehalten hat. Er sagte, Stagnation wäre Verrat. Die Kirchenleitung könne nicht darüber hinweggehen, dass viele Katholiken die Ehelosigkeit der Priester infrage stellten.
Eine andere gewichtige Stimme ist der bekannte Jesuit Henri Boulad. Er fordert die Gläubigen und die Bischöfe auf, nicht auf Lösungen aus dem Vatikan zu warten.
Derzeit werden in den österreichischen Diözesen, konkret jetzt in der Erzdiözese Wien, große Seelsorgeräume geschaffen, in denen ein Priester für mehrere Pfarren zuständig ist. Wieweit hilft das?
Krätzl: Die Kirche hat bisher einen großen Bonus, weil sie in vielen Gemeinden die letzte Institution ist, die Menschen im Feiern und im Trauern zusammenbringt. Ich bin überzeugt, dass diese Nähe zu den Menschen nicht aufgegeben werden darf. Der Blaulicht-Pfarrer, der nur zur Spendung der Sakramente kommt, ist sicher nicht die Lösung. Die Menschen suchen mehr denn je eine Behausung in einer erlebbaren, überschaubaren Gemeinschaft.
Buchtipp:
Jüngst ist von Weihbischof Helmut Krätzl das Buch erschienen „. . . und suchen Dein Angesicht. Gottesbilder – Kirchenbilder“. 182 Seiten, Domverlag, Wien 2010.
1 Kommentar:
"Damit begann zum ersten Mal das Vertrauen in eine päpstliche Lehre zu schwinden – AUCH WENN weltweit 30 Bischofskonferenzen, darunter die deutsche („Königsteiner Erklärung“) und die österreichische („Maria Troster Erklärung“) mildernde Stellungnahmen abgegeben hatten, die der persönlichen Gewissensentscheidung einen Raum gelassen haben."
"AUCH WENN"??? Nein!
Richtig ist "WEIL"!!!
Die spalterischen Bischöfe haben es mit ihren antikatholischen, gegen den Papst gerichteten Erklärungen geschafft, die päpstliche Lehre lächerlich zu machen! 1A Ffreimaurerarbeit.
Und jetzt jammert so einer im Sessel, dass Vertrauen verloren ging?
Ich habe auch kein Vertrauen zu Bischöfen, die nach Zeitgeist und Freimauererweisung agieren, statt sich stets streng an der katholischen Lehre auszurichten.
Es gibt da einen anderen österreichischen und noch im Amt befindlichen und römisch-katholischen Weihbischof. Was der sagt und schreibt ist tausendmal sinnvoller und der Verbreitung wert. Dieser gemeinte engagiert sich auch stets ganz konkret. Auch etwas, was den zeitverliebten Sesselpupser-Bischöfen fehlt.
Kommentar veröffentlichen