Linz, am Hochfest Allerheiligen 2011
Aufruf zum Hören auf den Heiligen Geist
Zur notwendigen Strukturreform der katholischen Kirche
Wir, die Interessensgemeinschaft der LaientheologInnen der Diözese Linz, knüpfen an zentrale Themen der „Pfarrer-Initiative“ in ihrem „Aufruf zum Ungehorsam“ vom Dreifaltigkeitssonntag 2011 an und teilen wichtige Anliegen der Plattform „Wir sind Kirche“ und der „Laieninitiative“ in ihrem gemeinsamen „Aufruf zu Eigenverantwortung“ vom Oktober des Jahres. Wir rufen die Katholiken und Katholikinnen Oberösterreichs, die diözesane Kirchenleitung sowie die Kirchenleitung in Rom auf zum genauen Hinhören auf die genannten Initiativen. Wir glauben, dass in diesen Initiativen der Heilige Geist wirksam ist. Wir geben zu bedenken, dass der lebendigmachende Geist Gottes auch durch unausgewogene Formulierungen und diskussionswürdige Aktivitäten wehen kann.
Insbesondere empfehlen wir der Kirchenleitung die Abschaffung der Zölibatspflicht für Priester und die Zulassung von Frauen zu den kirchlichen Ämtern. Wir wissen, dass wir mit diesen Empfehlungen die Anliegen des Großteils der getauften KatholikInnen hierzulande aussprechen. Wir glauben, dass in diesen Anliegen des Volkes Gottes der Heilige Geist am Werk ist. Wir übersehen dabei nicht, dass sich viele Getaufte ihrer Identität als Volk Gottes nicht bewusst sind und dass sie ihren Anteil am priesterlichen, königlichen und prophetischen Amt Christi zuwenig schätzen. Die hohen Kirchenaustrittszahlen und die geringe Beteiligung der KatholikInnen an den Sonntagsgottesdiensten könnten mit Änderungen der Zulassungsbedingungen zum Priesteramt nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden. Dennoch könnte vor allem mit einer echten Gleichberechtigung der Frauen ein derzeit noch bestehender Makel der katholischen Kirche endgültig Geschichte werden.
Dem oft gehörten Argument, verheiratete Priester oder Frauen im Priesteramt würden in manchen Regionen der Erde nicht akzeptiert werden, weil dies die jeweilige Kultur nicht zulasse, begegnen wir mit dem Vorschlag, die Frage der kulturellen Verträglichkeit der konkreten Zulassungsbedingungen jeweils vor Ort zu klären: Ob in einem Kulturkreis verheiratete Männer und Frauen zum Priesteramt zugelassen werden, möge die territoriale Bischofskonferenz entscheiden. Die römische Kirchenleitung soll im Sinne des Subsidiaritätsprinzips diese Befugnisse den Bischofskonferenzen überlassen. Zumindest im deutschen Sprachraum hieße eine Entscheidung zugunsten der völligen Gleichberechtigung von Männern und Frauen bei den kirchlichen Ämtern die Zeichen der Zeit erkennen.
Wenn die Herrlichkeit Christi, der das Licht der Völker ist, auf dem Antlitz der Kirche widerscheinen soll, um nach dem Wunsch der Kirchenkonstitution des II. Vatikanums alle Menschen zu erleuchten, dann muss die Kirche ihr gesellschaftliches Erscheinungsbild ändern. Dass wir als Kirche in hohem Maß unglaubwürdig geworden sind für die Menschen, liegt weniger an deren mangelnder Empfänglichkeit für die Herrlichkeit Christi, sondern daran, dass wir kirchlich organisierte ChristInnen Christus zuwenig ähnlich sind. Die Leitsätze für die notwendigen Strukturreformen in der Kirche sind im Evangelium selbst zu finden: „Nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Geschwister. Auch sollt ihr niemanden auf Erden euren Vater nennen, denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel.“ (Mt 23,8f). Damit ist die häufig geäußerte Ansicht, in der Kirche könne es keine Demokratie geben, schon entkräftet: Zwar geht in der Kirche das Recht nicht vom Volk aus. Doch Christus, den wir als Herrn der Kirche bekennen, will selbst, dass wir unsere Angelegenheiten geschwisterlich, das heißt, auf demokratische Weise regeln. Wir begreifen demokratische Umgangsformen in Gesellschaft und Kirche als theologische Konsequenz der Menschwerdung Gottes in Christus Jesus.
Deshalb rufen wir dazu auf, in gelingenden demokratischen Prozessen in Kirche und Gesellschaft das Wirken des Heiligen Geistes zu sehen.
Verfasst vom Vorstand der IG LaientheologInnen im Auftrag der Vollversammlung
vom 12. Oktober 2011 im Bildungshaus Schloss Puchberg.
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